Freie Universität Berlin
Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Studiengang Journalisten-Weiterbildung
Fernstudieneinheit Medien und Journalismus, Teil II 2001

 

Stiftung Medientest:
Innovation oder nur eine neue
Institution unter vielen anderen?

Arnstadt, Januar/Februar 2001

 

1. EINLEITUNG

Nicht erst seit Big Brother wird in politischen und medienwissenschaftlichen Kreisen heftig über Qualitätsstandards im Fernsehen diskutiert. Nicht erst seit Big Brother entscheiden Zuschauer mit der Fernbedienung darüber, was sie von solchen Diskussionen halten. Konsumiert wird das, was dem persönlichen Geschmack genau in diesem Moment am meisten entspricht, ähnlich so, wie im Supermarkt oder im Restaurant Entscheidungen getroffen werden. Dabei kann sich der Konsument als äußerst treuer Zeitgenosse, oder aber als Springer zwischen den Angeboten erweisen, wobei eine Zuordnung zu einer Gruppe auf Lebenszeit eine äußerst seltene Erscheinung ist. Geschmack ändert sich – und er ist subjektiv. Und nun kommt da eine Kommission daher, die behauptet, man könne sehr wohl „die Programmentwicklung aus dem Blickwinkel des Gebrauchswertes für die Interessen der unterschiedlichen Zuschauergruppen kontinuierlich beobachten und einschätzen". Leben die Verfasser in einer anderen Welt oder haben Sie den Stein des Weisen gefunden mit ihrer Idee einer „Stiftung Medientest", die „Anregungen aussprechen und Diskussionen anstoßen, die die Nutzer für Aspekte der Qualität und der Wirkungen von Fernsehangeboten sensibilisieren" soll (Ingrid Hamm, 1995, S. 13).

 

2. STIFTUNG MEDIENTEST

2. 1. Der Vorschlag der Weizsäcker-Kommission

Verbraucherschutz ähnlich der „Stiftung Warentest" schwebt den Mitgliedern der Weizsäcker Kommission vor, die in ihrem Bericht zur Lage des Fernsehens, der in den Jahren 1993/94 entstand, einen schon vorher an verschiedener Stelle geäußerten Vorschlag über die Gründung einer „Stiftung Medientest" aufnahmen und als einen Lösungsansatz für eine veränderte Medienstrukturpolitik und erweiterte Selbstkontrolle anboten. Der Weizsäcker-Kommission, die auf einen Vorschlag des Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ins Leben gerufen und von der Bertelsmann-Stiftung finanziert wurde, gehörten mit Prof. Dr. Joe Groebel, Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Dr. Renate Köcher, Prof. Dr. Bernd-Peter Lange, Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz, Prof. Dr. Ernst-Joachim Mestmäcker, Ingrid Scheithauer und Dr. Norbert Schneider ausgewählte Fachleute aus dem Bereich der Medienwissenschaft und Medienpolitik an. In einer ausführlichen und für den Laien kaum verständlichen Analyse haben sich die ebenfalls anerkannten Medienwissenschaftler Otfried Jarren und Gerhard Vowe 1995 mit den Ergebnissen der Arbeit dieser Weizsäcker-Kommission befasst und dabei u. a. die Frage aufgeworfen, wie ein Gremium aus Mitgliedern, die eindeutig verschiedene medienpolitische Positionen vertreten, einen so homogenen Bericht abliefern konnte. Wesentliches Fazit ihrer Analyse ist jedoch die Tatsache, dass die Weizsäcker-Kommission eine medienpolitische Chance verpasst habe. „Es wäre also u. E. durchaus eine Gelegenheit gegeben gewesen, mit einem fundierten, innovativen und öffentlichkeitswirksamen Bericht auf die Beobachtung und auf die Weichenstellung selbst Einfluß zu nehmen. Diese Gelegenheit ist nicht ergriffen worden" (Jarren/Vowe, 1995, 23). Die Autoren sprechen u. a. von einem konservativen Rundfunkverständnis der Kommission, das nicht geeignet sei, als normative Basis von Rundfunkpolitik zu dienen und schätzen die analytische Qualität des Berichtes eher als mäßig sein. Ein vernichtendes Urteil über eine Arbeit, die allerdings von der Öffentlichkeit ohnehin höchstens in ein paar vereinzelten Fällen wahrgenommen wurde.

Was wollten nun die Mitglieder der Weizsäcker-Kommission mit ihrem Vorschlag der „Stiftung Medientest"? „In Anlehnung an die Idee der verbraucherschutzbezogenen ‚Stiftung Warentest’ könnte eine solche Stiftung zur gemeinnützigen Institution laufender Bestandsaufnahmen der Medienentwicklung und einer sie begleitenden Kritik werden. Die ‚Stiftung’ Medientest könnte sich um eine kontinuierliche Programmauswertung bemühen, die an Problemschwerpunkten orientiert ist (etwa Spielfilme nach 23.00 Uhr, Jugendsendungen, Spielshows und problematische Einzelsendungen). Durch die ‚Stiftung Medientest’ könnten Möglichkeiten dafür geschaffen werden, daß einzelne Zuschauerinnen und Zuschauer oder Publikumsverbände u.ä. auf archivierte Aufzeichnungen zurückgreifen, sei es im Rahmen konkreter Streitfälle oder bei der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung" (Ingrid Hamm, 1995, S. 190/191). Es geht also um ein Gremium wie die „Stiftung Warentest", dass sich eigene Beurteilungsgrundlagen schaffen und die Ergebnisse der Bewertung mit einer eigenen Programmzeitschrift dem Publikum nahe bringen soll. Die Kommission glaubt, dass die Stiftung als gemeinnützige Einrichtung gute Chancen hätte, Vertrauen zu erwerben und mit der eigenen Zeitschrift sogar Gewinne zu erwirtschaften. Finanziert werden könnte die Stiftung nach Meinung der Experten entweder aus dem zweiprozentigen Anteil der Landesmedienanstalten aus den Rundfunkgebühren oder aus Zuwendungen der Fernsehveranstalter, außerdem könne man Gebühren für Archiveinsichten nehmen.

2. 2. Diskussion mit Pro und Kontra

In Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang, Heft 2/1996, war das Schwerpunktthema der „Stiftung Medientest" gewidmet. Als Verfechter der Idee, eine solche publikumsorientiert arbeitende Einrichtung zu schaffen, hat Friedrich Krotz hier vor allem eine Analyse der Medien-Realität vorgenommen und davon ausgehend Handlungsbedarf entdeckt. Weniger Markttransparenz, kaum ein Überblick über Alternativen, „kaum eine Möglichkeit, neben Ertragen oder Wegschalten zu Wort zu kommen und sich mit der Hoffnung auf Gehör zu äußern, und damit auch so gut wie kein Einfluss auf das Angebot" – diese und weitere Punkte bringt Friedrich Krotz als Beweise dafür an, dass es dem Individuum unmöglich ist, sich als kritischer Konsument und Bürger einzubringen (Friedrich Krotz, 1996, S. 217). Kritisch setzt sich Krotz mit den existierenden Strukturen auseinander. Die Aufsichtsgremien des öffentlich rechtlichen Rundfunks stünden unter Proporzverdacht, den Landesmedienanstalten bzw. ihre Direktorenkonferenzen werde nachgesagt, vor allem institutionelle Interessen zu berücksichtigen und sich an regionaler Wirtschaftsförderung zu orientieren, auch wenn zu ihnen als positiv anzumerken sei, dass sie über die von ihnen angeregt und finanzierte Forschung eine nicht unwesentliche Rolle für den Verbraucherschutz spielen, merkt Krotz an, der der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vorwirft, sie arbeite weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Somit, legt Friedrich Krotz dar, fehlt trotz aller Ansätze eine verbraucherorientiert arbeitende Einrichtung. „Die Konkurrenz der audiovisuellen Medien untereinander könnte zwar ebenso wie die Konkurrenz zwischen audiovisuellen und Printmedien in einem auf Wettbewerb ausgerichteten Mediensystem zur kritischen Aufklärung der Konsumenten beitragen", das biete aber auf Dauer auch keine Gewähr für eine verlässliche gegenseitige Kontrolle. Existierende Dienstleistungs-Angebote wie die Bewertung von Spielfilmen im Fernsehteil von Tageszeitungen oder von Kindersendungen seien in ihrem Zustandekommen und ihren Kriterien eher unsystematisch und zu eingeschränkt. Außerdem könne die kritische Darstellung von Medieninhalten nur über Medien möglich sein, was es nur einflussreichen Institutionen erlaube, hörbar und kontinuierlich zu Wort zu kommen, meint Krotz. Eine solche einflussreiche neutrale Institution für systematische und unabhängige Tests von Medienangeboten könne die „Stiftung Medientest" sein. Diese müsse neben einer Test- und Archivfunktion auch eine Informationsfunktion sowie eine Forums- und Ombudsmann-Funktion vereinen. Friedrich Krotz beschäftigt sich auch mit der Frage, ob es seitens der Zielperson, nämlich des Fernsehnutzers, überhaupt eine Nachfrage für eine Institution gibt. Erkennbar an der zunehmenden Bewertung in Programmzeitschriften gebe es durchaus ein Interesse an Entscheidungshilfen, zudem werde sich die Stiftung ihre Anhänger selbst schaffen. Wichtig sei für eine solche Stiftung ihre Unabhängigkeit und Neutralität, die mit einer Einrichtung von staatlicher Seite oder in genossenschaftlicher Form wie bei der Zeitschrift Ökotest zu gewährleisten wäre, so Krotz. In der Anfangsphase rechnet er mit Kosten von drei bis vier Millionen Mark jährlich, wenn man sich nur auf die wichtigsten Genres der Sender beschränke: auf Informations- und Beratungssendungen sowie Kindersendungen.

Mit diesen Aussagen von Friedrich Krotz kann sich manch anderer gar nicht einverstanden erklären. Hans Joachim von Gottberg, im Jahr 1996 Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), wirft ihm u. a. vor, dass er mit seinen Aussagen über die FSF Unkenntnis zum Ausdruck bringe. Schließlich seien Hospitationen in Prüfungen ebenso möglich wie der Einblick in die Prüfgrundsätze, dass es eine Broschüre und einen Videofilm für die schulische und außerschulische Weiterbildung gibt und dass also von einem weitgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit gar nicht die Rede sein könne. „Dabei muss ich natürlich zugeben, daß man in der veröffentlichten Meinung mit positiven Ansätzen weniger Gehör findet als mit sensationellen Nachrichten über die Grausamkeiten des Fernsehens – ein Schicksal übrigens, das eine Stiftung Medientest, sollte sie eines Tages existieren, sicherlich mit der FSF teilen wird", so von Gottberg (Hans Joachim von Gottberg, 1996, S. 231). Wichtig ist aus Sicht des FSF-Geschäftsführers ein Gleichgewicht zwischen denen, die am Mediengeschäft verdienen und denen, die mögliche Gefährdungen im Auge haben. Allerdings bestehe dieses Gleichgewicht bereits und bedürfe keiner weiteren aus Mitteln der Rundfunkgebühren finanzierter Einrichtung. „Die Verwirrung, die Herr Krotz in seinem Beitrag in Bezug auf die bevorstehende Flut digitaler Medien prognostiziert, ist im Hinblick auf die unübersehbare Flut von Einrichtungen und Institutionen, die sich mit Medien beschäftigen, in der Öffentlichkeit längst eingetreten" (Hans Joachim von Gottberg, 1996, S. 231). Es sei besser, bestehende Institutionen zusammenzuführen als eine neue zu gründen. Aber nicht nur zu einer „Stiftung Medientest" an sich, sondern auch zu deren Aufgaben äußerst sich von Gottberg skeptisch. Die Bewertung von Medien sei ein differenzierter, komplizierter und somit höchst subjektiver Prozess, der sehr viel mit Meinung, Geschmack, Intellekt, Gefühlssituationen und Erfahrungen zu tun habe. Das neutral und objektiv beurteilen zu wollen, sei wohl nicht möglich, weshalb alleine schon der Objektivität suggerierende Name „Stiftung Medientest" eine Irreführung sei. „Bisher ist es in der öffentlichen Diskussion nicht einmal gelungen, genau zu definieren, was man unter Kunst versteht. Und wie will man – angeblich objektiv – die Qualität eines Spielfilms bewerten, dem Kritiker künstlerischen Charakter zusprechen, den andere dagegen für völlig trivial halten? ... Auch der Informationswert von Nachrichtensendungen ist keineswegs so objektiv fassbar, wie es auf den ersten Blick scheint, es sei denn, man erhebt den eigenen Standort zum Maßstab. ... Der ‚Nutzwert’ von Medieninhalten ist also sehr unterschiedlich, der Versuch, objektive Kriterien zu entwickeln, würde wahrscheinlich darin enden, dass man die eigene Position, die eigenen Ansprüche und die eigene Bewertung überhöht und im Endeffekt den Menschen, der unter anderen Bedingungen Medien nutzt, nicht mehr ernst nimmt." Für von Gottberg wird die Diskussion besonders makaber, wenn Herr Krotz die Aufgabe der „Stiftung Warentest" beschreibt und hier ein gewisses Vorbild für die „Stiftung Medientest" sieht, man könne „ja auch eine Stiftung Meinungstest oder Gesinnungstest einführen und bestimmte objektive Kriterien für die richtige oder falsche Meinung entwickeln" (Hans Joachim von Gottberg, 1996, S. 232/233). Es sei gefährlich, Konsumartikel und deren Testbewertungskriterien mit Medieninhalten zu vergleichen.

Den Gedanken einer „Stiftung Medientest" an sich findet Reinhard Grätz, 1996 Vorsitzender des Rundfunkrates des Westdeutschen Rundfunks in Köln, auf den ersten Blick bestechend. Allerdings bezweifelt er, dass sich das Interesse der Publikumsmehrheit durch dokumentierte Befunde einer „Stiftung Medientest" umorientieren ließe. Das Publikum bevorzuge den Lieblingssender, die Programmauswahl erfolge auch nach bildungs- bzw. schichtspezifischen Interessen. Die Einschaltquotenentwicklung veranschauliche auf eindrucksvolle Weise die Macht der Konsumenten. Auch Grätz kritisiert die pauschalen Äußerungen von Friedrich Krotz, bezogen natürlich auf seinen Wirkungsbereich. Den Ombudsmann gebe es bereist, Bürgerinnen und Bürger könnten den Rundfunkrat anrufen, sofern der Intendant ihrer Beschwerde nicht abhilft, stehe z. B. im WDR-Gesetz.

Während Imme de Haen, zum Zeitpunkt der Diskussion Direktorin der Evangelischen Journalistenschule in Berlin, dem Vorschlag zur Stiftungs-gründung durchaus gute Seiten abgewinnen kann, wenn die Stiftung u. a. ihr Schwergewicht auf Informationsvermittlung und nicht auf Etikettierung guter oder schlechter Programme legt, die Kluft zwischen der „interessierten" und der „breiten" Öffentlichkeit verringert, gehört Wolf Dieter Ring, damals Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in München eher zu den Zweiflern. Zum einen bemängelt Ring die Bewertung der Landesmedienanstalten durch Krotz, zum anderen aber weist er darauf hin, dass bei der von Krotz vorgelegten Konzeption für eine Stiftung nicht zu erkennen sei, „wie es dieser Institution gelingen soll, weitgehend akzeptierte Qualitätsmaßstäbe zu entwickeln sowie große Teile der Bevölkerung zu erreichen. Zu befürchten ist eher, dass zu den bereits bestehenden Institutionen eine weitere hinzukommt, die in erster Linie Gehör in der Fachöffentlichkeit findet" (Wolf-Dieter Ring, 1996, S. 243). Als unrealistisch bezeichnet Ring zudem die Vorstellungen über die Aufgaben einer „Stiftung Medientest". Aufzeichnung, Archivierung und Analyse der in Deutschland ausgestrahlten Fernsehsendungen und der weiteren öffentlich zugänglichen audiovisuellen Angebote aber auch Online-Dienste, CD-Rom’s und CDI’s seien dazu angetan, vermutlich die gesamte deutschsprachige Kommunikationswissenschaft in Lohn und Brot zu setzen. Das findet auch Heribert Schatz, der in einer Modellrechnung auf das Ergebnis kommt, dass allein die Bewertung von zehn Prozent des Programms auf einen Analyseaufwand von über 180 000 Stunden kommen, was eine ganzjährige Beschäftigung von 200 studentischen Codieren bedeuten und drei Millionen Mark jährlich kosten würde. Auch Schatz bezweifelt zudem die Möglichkeit, akzeptable Testkriterien zu finden. Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserates in Bonn, zitiert in seiner Stellungsnahme zur Idee der „Stiftung Medientest" den Praktiker Dagobert Lindlau: „Wenn drei Dutzend Aufsichts- , Kontroll- und Beobachtungsgremien nichts nützen, schafft vielleicht das Drei-Dutzend-und-erste die Qualität, die keiner definieren kann" (Lutz Tillmanns, 1996, S. 254.)

 

3. DER ZUSCHAUER – WESEN EINER ANDEREN ART

3. 1. Ist die Qualität von Medienbeiträgen messbar?

Wenn man sich an den Expertenmeinungen zum Thema „Stiftung Medientest" orientiert, dann kann man die Frage nach der Messbarkeit von Qualität wohl verneinen. Ähnlich wie im Bereich des Films, wo selten Kritikermeinung und Kassenerfolg übereinstimmen, ist es auch im Bereich des Fernsehens nicht möglich, allgemein gültige Kriterien aufzustellen. „Ließe sich mit objektiven Kriterien beispielsweise beurteilen, ob sich Millionen unterschiedlicher Zuschauer mit vollkommen unterschiedlichen Interessen, Geschmack und unterschiedlichen Filmerfahrungen über einen Film amüsieren oder ob er sie langweilt? Gäbe es einen solchen Kriterienkatalog, würden die Filmproduzenten wohl nicht so viel teure Flops herstellen – auch die besten Marketingmethoden sind bisher nicht in der Lage, die Akzeptanz eines Films vorherzusagen. Von zehn teuer produzierten Filmen werden nur etwa drei vom Publikum angenommen" (Hans-Joachim von Gottberg, 1996, S. 233) dieser Einschätzung des FSF-Geschäftsführers von Gottberg kann ich mich nur anschließen. Es kann nicht darum gehen, erwachsenen Zuschauern zu sagen, was gut für sie ist und was schlecht, sondern es muss darum gehen, Orientierungshilfen zu geben, Bewertungskriterien, die zumindest die Möglichkeit schaffen, das unüberschaubare Angebot etwas einzudämmen, um dann dem persönlichen Geschmack die letzte Auswahlentscheidung zu überlassen. Dafür aber bedarf es keiner „Stiftung Medientest". Das in den vergangenen Jahren erweiterte Angebot der Programmzeitschriften hat ein hilfreiches System dafür entwickelt, was dem Zuschauer im Allgemeinen wichtig ist – nämlich die klassischen Spielfilmkriterien wie Spannung, Action, Erotik, Humor. Was besonders wichtig ist – keine dieser Bewertungen bringt eine Bevormundung ins Spiel, wie es bei einem „staatlichen" Angebot wie einer „Stiftung Medientest" unweigerlich der Fall wäre. Sollte solch eine Einrichtung wirklich Sinn haben, müsste sie alle Sendungen schon vor der Ausstrahlung begutachten, um dann Warnungen oder Empfehlungen ausgeben zu können. Der Zuschauer ist sehr gut in der Lage, ihm nicht zusagende Sendungen aus seinem Fernsehplan zu entfernen. Und wenn das, wie in den vergangenen Jahren öfter geschehen, Angebote der öffentlich-rechtlichen Programme waren, was zumindest am Wechsel der Marktführerschaft deutlich wird, so wird dies nicht durch eine „Stiftung Medientest" wettzumachen sein.

3. 2. Programmberatung – nicht nur ein Traum

Ein Gebiet gibt es, in dem Programmberatung Sinn macht – das Kinderprogramm nämlich. Damit soll nicht gesagt werden, dass Kinder alles konsumieren, was man ihnen vorsetzt – auch hier wird ausgewählt. Es ist vielmehr für Eltern wichtig, zu wissen, was ihre Kinder da schauen, und zu wissen, wie diese Sendungen auf Kinder wirken, denn oftmals sind es die Eltern, die für ihre Kinder die Programmplanung übernehmen. Aber auch dafür benötigt man keine „Stiftung Medientest". Der Verein „Programmberatung für Eltern e. V.", in dem 13 Landesmedienanstalten, die Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie und das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk Mitglieder sind, bringt mit dem Magazin „Flimmo" einen Ratgeber für Eltern heraus. Dreimal jährlich (im Internet unter http://www.flimmo.de sogar aktuell alle 14 Tage) wird hier Fernsehen mit Kinderaugen betrachtet, wo es den Herausgebern geboten erscheint auch durch einen pädagogischen Hinweis ergänzt. Die Grundlage für die Bewertungen liefern Forschungsergebnisse und regelmäßige Befragungen von Kindern zwischen 3 und 13 Jahren. Mit solchen problemorientierten, auf Zielgruppen zugeschnittenen Lösungen lässt sich mit Sicherheit mehr erreichen als mit einer Stiftung, einer neuen Institution unter vielen anderen, deren Sinn dem Steuer- bzw. Rundfunkgebührenzahler nur schwer zu vermitteln ist.

Thomas Becker

Januar/Februar 2001

 

5. LITERATURLISTE

Hamm, Ingrid, Hrsg. (1995), Weizsäcker-Kommission: Bericht zur Lage des Fernsehens, Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, S. 13 und 190/191.

Jarren, Otfried/Vowe, Gerhard (1995), Medienkritische Öffentlichkeit als rundfunkpolitischer Akteur? – Analyse und Bewertung der „Weizsäcker-Kommission", in: Rundfunk und Fernsehen, 43. Jahrgang 1995/1, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 5-25.

Krotz, Friedrich (1996), Zur Konzeption einer Stiftung Medientest, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 214-229.

von Gottberg, Hans Joachim (1996), Stiftung Medientest: Ist Fernsehqualität meßbar?, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 230-234.

Grätz, Reinhard (1996), Stiftung Medientest, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 234-237.

de Haen, Imme (1996), Verbessern wir das Fernsehen, so lange es das Fernsehen noch gibt!, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 237-240.

Ring, Wolf-Dieter (1996), Zur Konzeption einer Stiftung Medientest, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 242-245.

Schatz, Heribert (1996), Stiftung Medientest – Einige Anmerkungen zu den diesbezüglichen Überlegungen von Friedrich Krotz, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 245-248.

Tillmanns, Lutz (1996), Wozu eine „Stiftung Medientest"?, in: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jahrgang 1996/2, Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, S. 251-256.

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