Die Mädchen von der Felsenkante

  

Ein Sittenroman aus der Gegend um Steinach

von Ewert Becker

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Erstes Buch

1. Kapitel

Die Sonne brannte vom wolkenlosen, azurblauen Firmament. Ihre Strahlen brachen sich an den Blättern der Fichten und durchschwirrten rieselnd das Gelüft. Im herrlichen Waldidyll ertönte zärtlich das Quietschen eines ungeölten Handwagenrades. Bald danach tauchte auch der Wagen und davor ein reizendes Wesen, so weiß wie Poreeknollen, rot wie Radieserln und schwarz wie geteertes Ebenholz, auf dem mit Tannenzapfen übersätem Waldpfade auf. Es war Lika, die schönste Maid des späteren Bezirkes Suhl. Sie zog, ein trutziges Volkslied auf den Lippen, ein Handwägelchen, auf dem ein winziges Körbchen mit Himbeeren placiert war. Ihre anmutigen Füßlein trugen sie direkt dem Verderben entgegen.

Denn auf der Lichtung, unweit der Schlucht, tagte das Freimaureraktiv unter Leitung von Förster Rott, einem edlen Kämpen, der auch SichelJoe genannt wurde. Es ging um die Aufnahme des berühmten Rechtsanwaltes Dr. Mylius in die Freimaureroberliga. Inmitten dieser Versammlung kam Lika des Weges. Im Kreise der Edlen sah man fast ausschließlich entsetzte Gesichter, nur Junker Hagen von Felsecks abgelebte Züge verzerrten sich zu einer jugendlichen Fratze. Sein etwas blödsinniger Bruder Berndt setzte eine mitleidige Miene auf. Sein Herz schlug sofort dem jungen Ding entgegen.

Die Männer sprachen nicht viel. Sie schauten sich an und würfelten darum, wer den schönen Eindringling töten solle. Hagen gewann und griff zu seinem sechsläufigen Colt. Er spannte schon die Hähne, da geschah etwas Unfaßbares...

Als Hagen den Auslöser betätigen wollte, sprang ihm Berndt in die Parade. Die sechs Schüsse zerschlugen Dr. Mylius das Nasenbein, so daß er meinte, in einer Straßenbahn zu sitzen. Ehe man sich versah, war Berndt mit Lika verschwunden und hatte sich in einer verfallenen Burg unter vielen Kreuzottern verschanzt. Die Freimaurer machten sich mürrisch auf den Heimweg, während Förster Rott seine Schritte zum Criminalrat Ebers, einem Inquirenten von großem Ruf, wandte, um ihm diesen Fall zur Bearbeitung anzutragen. Ebers, der wie der amerikanische Präsident zu den Freimaurern gehörte, konnte seine Hilfe nicht versagen, obwohl er noch den Mord an Magister Schellhammer aus Mengersgereuth-Hämmern zu klären hatte.

Doch nun wollen wir der Handlung eine andere Richtung weisen. Im wilden Fels des Thüringer Berglandes hallten Schüsse durchs Gestein. Wie ein gehetztes Reh schwang sich ein Mädchen von Fels zu Fels. Hinter ihr tobten die Häscher. Steinklopferhans machte Jagd auf sein unschuldiges Opfer. Der geschätzte Leser wird sicher bemerkt haben, daß es sich hierbei um die Felsentoni handelte. Ihr hartherziger Vater, der Geldfälscherlorenz, hatte den berüchtigten Gangsterchef auf ihre Spur gehetzt, weil sie sich mit dem jungen Fabrikantensohn, dem schönen Behringer, eingelassen hatte.

Neben Hans jagte die Wittwe Becker, bewaffnet mit einem Henry-Stutzen, durch den Fels. Sie schüttete gerade wieder Pulver auf die Pfanne und jagte Toni ein zweipfündiges Bleistück hinterher. Daß sie dem Steinklopferhans dabei das Ohrläppchen abschoß, lag an ihrem nervösen Zittern. Doch Toni kannte die Stege besser und entkam vom Berg ins Tal. Sie rannte in ihrer Angst in die Steinacher Prairie-Sportarena und geriet in den 400-m-Lauf des Holzfäller-Sportfestes. Sie schlug alle in einer unwahrscheinlichen Zeit. Nach dem Ziel glitt sie aus und stürzte vor den Füßen eines Arztes nieder. Dieser überführte sie sofort ins Waldambulatorium. Dort schenkte das junge Mädchen prächtigen Vierlingen das Leben, die alle dem Fabrikantensohn zum Verwechseln ähnlich sahen, woraus der geschätzte Leser schließen kann, daß sie die seinigen waren.

2. Kapitel

An der verfallenen Burg zu Felseck hatte Criminalrat Ebers ein Luftschiff bauen lassen, das ins Innere starten sollte, um Schön-Lika mit ihrem Galan Hagen zu stellen. Ebers selbst leitete die Aktion, unterstützt von Förster Rott. Aber ein positives Ergebnis war nicht beschieden. Das Luftschiff stieg, kaum daß es losgemacht wurde, mit unerhörter Geschwindigkeit in die Höhe. Außer dem jungen Behringer, der uns ja schon als Tonis Liebhaber bekannt ist, aber noch nichts von seiner vierfachen Vaterschaft wußte, befand sich noch ein Fremder in der Gondel. Als das Luftschiff eine Höhe von circa 200 Metern erreicht hatte, erkannte Ebers, daß dieser zweite Mann der schon ermordet geglaubte Magister Schellhammer war.

In Steinach herrschte nach der Geburt der Vierlinge eitel Freude. Nur Steinklopferhans war erbost. Aus Wut drehte er sein Gewehr herum und hieb den Kolben der Wittwe Becker voller Wucht auf den Schädel. Dieser zersprang in mehrere Teile, und die arme Wittwe brachte nur noch ein "Oh, wie schrecklich, das wird wohl mein bitteres Ende sein, ich sterbe", hervor und verschied dann unter Seufzern.

"Ha, du Wicht, hab ich dich, Lustmolch und Ehebrecher", kam da eine schreckliche Stimme aus dem Gesträuch, und Criminalassessor Tillmann sprang mit durchgeladener Doppelflinte in behenden Sprüngen hervor. Steinklopferhans, der aus Enttäuschung über seinen Mißerfolg nicht zu Scherzen aufgelegt war, eröffnete das Feuer mit seinem sechskantigen Vorderlader, während Tillmann sein Schnellfeuergewehr sprechen ließ. Beide waren ausgezeichnete Schützen. Sie fochten in einer Stunde an die dreißig Gänge aus, bei denen keiner zu einem sichtbaren Vorteil gelangen konnte. Bei ihrem Kugelwechsel tötete Tillmann sieben und Hans vier harmlose Passanten und Wilddiebe, die dem Gefecht als Zuschauer beiwohnten; unter ihnen Stülpner Karl und den uns schon bekannten Geldfälscherlorenz. Doch dann wurde der Kampf entschieden. Hans zielte geschickt und streckte den Criminalassessor nieder. Wehklagend sank dieser zu Boden. "Waidewund, waidewund", kam es immer wieder aus seinem Mund, bis Hans zu ihm ging und ihn mit seinem Hirschfänger so übel zurichtete, daß ihm der Atem nur noch ausging, aber nicht mehr ein.

Das Luftschiff näherte sich inzwischen der amerikanischen Küste und ging auf Odd Fellow Island nieder. In der Nähe der Azoren hatte der Magister den armen Behringer ins Wasser geworfen, und diesem war es nur mit Mühe gelungen, sich über Wasser zu halten. Während Magister Schellhammer das Luftschiff am Leuchtturm der Insel vertäute, wenden wir uns Schön-Lika zu.

Berndt und das schöne Mädchen hatten in der Burg Felseck einen unterirdischen Gang entdeckt. Sie hatten ihn durchlaufen, von Tausenden Kreuzottern verfolgt, und stiegen just auf Odd Fellow Island wieder ans Tageslicht. Zu ihrem Entsetzen trafen sie dort auf Magister Schellhammer. Dieser zog ein Terzerol aus dem Gewand und richtete es auf Berndt. Doch Lika stellte sich vor ihren Geliebten und rief: "Töte erst mich, Bube, sonst sterbe ich!" Der Magister lachte nur hämisch. "Dich brauche ich zu besseren Dingen, mein Täubchen." Dann schoß er an beiden vorbei, so geschickt an die Mauer, daß die zurückprallende Kugel Berndt ein faustgroßes Loch in den Kopf schlug, und dieser wie leblos zusammenbrach. Lika schrie lauthals auf, und dem Magister fiel es leicht, sie an einen Baum zu fesseln. Dann machte er ein Feuer an und brachte einen Kessel mit Wasser zum Kochen.

"Du wirst mir herrlich munden und mich laben", lachte er. Dann steckte er das zitternde Mädchen mit dem Kopf zuerst ins Wasser. Als er sie gänzlich einfüllen wollte, drosch ihm ein Mann einen Felsblock über den Schädel, der ihn neben Berndt zu Boden streckte. Dieser Mann war der junge Behringer. Er hatte schwimmend die Insel erreicht. Schnell befreite er Lika aus ihrer mißlichen Lage und pflegte sie mit solcher Hingabe, daß nicht nur die Spuren der Verbrennung aus ihrem Gesicht verschwanden, sondern daß sie noch schöner wurde als zuvor. Als sie gesund war, riefen sie einen zufällig vorbeischwimmenden Pfarrer an Land und schlossen den Bund fürs Leben.

3. Kapitel

Die Ankunft des Luftschiffes in Steinach wurde von allen mit großem Hallo begrüßt, nur Toni konnte die Tränen der Enttäuschung nicht verbergen und sann auf Rache. Behringer, der seiner alten Liebe nicht ganz entsagen konnte, stellte Toni bei sich als Köchin an. Bei einem Festmahl, zu dem der ganze Ort eingeladen war, tat Toni sieben Pfund Zyankali in die Vorsuppe. Als sie danach allen 381 Toten ins Gesicht sah, fand sie zu ihrem Leidwesen Behringer nicht darunter. Sie hatte nicht gewußt, daß dieser keine Ochsenschwanzsuppe vertragen konnte und deshalb nicht mitgegessen hatte. Daß ihre Rache dennoch gelang, hatte sie nicht erwartet. Behringer, der für alle Toten die Begräbniskosten tragen mußte, verarmte dadurch vollends und mußte selbst seine Fabrik verkaufen. Lika als Tochter eines Adligen aus altem Gestüt konnte nicht länger mit dem verarmten Capitalisten zusammenleben und trennte sich unter Tränen von ihm. Die Schande konnte der arme Behringer nicht ertragen und floh nach Amerika, um dort wieder zu Geld zu gelangen. Vergessen wir ihn für eine Weile und wenden uns Hagen zu.

Dieser dachte seit der Freimaurertagung nur noch an Lika. Seine verlebten Züge glätteten sich langsam und er wurde wieder ein stattlicher Junker. Nach der Scheidung Likas von Behringer machte er sich auf den Weg, um sie zu erobern. Sie hatte bei ihrer Großmutter, einer bekannten Massenmörderin der letzten Jahre, Quartier bezogen und lebte dort sehr einsam und zurückgezogen. Hagen hatte erkundet, daß sie ihr Zimmer im II. Stock eröffnet hatte.

Eines nachts klomm er in zünftigen Krachledernen, mit Steigeisen behaftet am Telegraphenmast empor und stieg in ein offenes Fenster am Ende des Flures. Voll Liebesglut rannte er den Flur entlang und prallte vor Likas Schlafzimmer mit einem Fremden zusammen, so daß sich beide die Schädel schier zertrümmerten. Selig die Augen verdrehend sanken sie zu Boden.

Wie der gewitzte Leser längst gemerkt hat, war der andere Mann der Magister Schellhammer, der vom gleichen Drang wie Hagen getrieben an der anderen Seite des Flurs eingestiegen war. Als beide noch in seligen Schlafe nebeneinander lagen, stieg ein weiterer Mann durchs Fenster. Langsam, vorsichtig, aber doch eiligen Schrittes durchquerte er den Flur und flog mit großem Gepolter über die Bewußtlosen. Er erhob sich langsam, sah auf die beiden und erstarrte. Dann drehte er sich um, schüttelte sich, als wolle er eine Last abwerfen. Schließlich trat er in Likas Gemach. Sie schrie erst entsetzt, dann freudig auf und flog ihrem Berndt an den Hals, denn das war der fremde Mann.

Nachdem sie mehrere Stunden miteinander geplaudert und geliebt hatten, erzählte Berndt ihr von seiner Entdeckung im Flur. Lika verbarg ihr Köpfchen an Berndtens Brust und flehte ihn um Hilfe an. Berndt erinnerte sich, im Garten einmal einen Brunnen gesehen zu haben. Mit Likas Hilfe zerrte er die Bewußtlosen auf den Balkon und warf zuerst den Magister Schellhammer in den Brunnen. Der Brunnen hatte eine Tiefe von rund 107,3 Metern. Schellhammer schlug unten auf und erhob sich mühsam. "Hurra, welch Wonne, ich lebe, lebe, lebe..." - mehr brachte er nicht heraus, denn just in diesem Moment donnerte ihm mit unerhörter Wucht Hagen mit seinem Steigeisen auf den Schädel und der Magister hauchte mit einem Pfund Eisen im Gehirn seine schwarze Seele aus. Hagen blieb ohnmächtig am Boden liegen.

4. Kapitel

Behringer jagte auf einem gescheckten Rappen durch die Prairie. Sein Lasso schwingend verfolgte er ein Murmeltier, das in seines Herren, des Farmers Greenville Herde schon drei prächtige Zuchtbullen gerissen hatte. Ein gewagter Wurf - und schon zappelte das Tier in der Schlinge. Sein Herr, der alte Greenwille, erhöhte sofort sein Gehalt um 50 Pengö, und das Bild des kühnen Helden erschien in allen Zeitungen. Auch Toni fand das Foto in der "Sonneberger Rundschau". Erschüttert merkte sie, daß sie ihre Vierlinge auf der Suche nach dem Geliebten in falsche Richtungen geschickt hatte. Fips, der Erstgeborene, suchte in Asien, Herb suchte in Afrika, Angla in Australien und Bodo, der jüngste, testete die Jurten der Eskimos nach dem Verschwundenen. Toni mietete sofort ein Schiff und fuhr nach Amerika.

Criminalrat Ebers bestellte nach den Morden an Tillmann und der Wittwe Becker den Steinklopferhans zum Verhör nach Steinach und befragte ihn peinlich. "Gestehe, Mordbube, daß du meinen Assessor gemeuchelt hast.", sagte er mit dem gewinnendsten Lächeln der Welt. "Ich streite es ja gar nicht ab, aber Sie müssen's mir halt erst beweisen", antwortete der listige Gangster, der sich trotz der großen Fragekunst des Inquirenten nicht in die Enge treiben ließ. Ebers mußte ihn nach mehreren Tagen wieder laufen lassen, obwohl er den Verdacht nicht loswerden konnte, daß nur dieser eine die grausamen Taten begangen haben konnte. Ebers ging darauf sofort zu Rechtsanwalt Dr. Mylius, um bei ihm einen Spitzel zur Beobachtung zu finden. Mylius hatte auch das Rechte bei der Hand. Ein stellungsloser Herr in den besseren Jahren erklärte sich bereit, die Überwachung des Steinklopfers zu übernehmen. Es war der Conte Mirano, ein versoffener italienischer Graf.

Toni hatte inzwischen in Amerika die Güter Greenwilles erreicht und machte in der Kneipe "Zum röchelnden Waldläufer" Rast. Als sie in den Schankraum trat, traute sie ihren Augen kaum. Dort waren ihre Vierlinge versammelt. Fips soff gerade das Spülwasser für die Gläser und sang dabei unanständige Lieder. Herb lag unter dem Tisch und war damit beschäftigt, die Tischdecke zu verspeisen. Angla saß leicht bekleidet auf dem Schoß eines heruntergekommenen Taschendiebes und war eifrig bemüht, ihm die Brieftasche zu mausen, während Bodo mit starrem Blick im Raum stand und mit einem Trommelrevolver die Schnapsflaschen aus dem Regal schoß. Toni umhalste ihre Lieblinge, und das Wiedersehen wurde mit großem Hallo begossen. Die bösen Kinder waren gar nicht in die gebotenen Richtungen gefahren, sondern hatten geschlossen die Überfahrt nach Amerika gewagt; und dort brachten sie seitdem das reichliche Reisegeld durch.

Auf die Frage, ob sie einen Mann namens Behringer gesehen hätten, erwiderte Angla, sie könne sich an diesen erinnern, sie hätte ihm vor vier Wochen eine Geldkatze mit 730 Pengö gestohlen. Toni war hoch erfreut, dieses zu hören, da jetzt der Geliebte nicht mehr fern sein konnte. Als sie den Vieren davon berichtete, daß dieser Mann ihr Vater sei, freuten sich alle und beteuerten, sich keinen besseren Vater wünschen zu können.

Hagen war es gelungen, nachdem er den toten Magister ausgeraubt hatte, mit Hilfe eines Steigeisens den Brunnen zu verlassen. Im Hospital sann er auf Rache gegen seinen Bruder und dessen Eheweib, denn Berndt hatte inzwischen Lika geheiratet. Nach seiner Entlassung suchte er den Steinklopferhans auf, und es kam zu einer folgenschweren Unterredung.

5. Kapitel

Steinklopferhans und Hagen trafen sich in einem Wachsfiguren-Kabinett. Dort hatte sich auch der Conte Mirano unter die Figuren gemischt, um gefahrlos dem Gespräch lauschen zu können. "Lika darf bei unserem Attentat nicht ums Leben kommen", meinte Hagen. "Das kostet 1000 Dahler mehr", antwortete seelenruhig der Steinklopferhans und fuhr fort: "Mein Plan ist folgender. Wenn die beiden sonntags zur Kirche gehen, lauern wir sie auf und du zeigst dich kurz Lika. Bei deinem Anblick wird sie vor Schreck in Ohnmacht fallen. Ehe Berndt ihr folgen kann, drücke ich ab und blase ihm sein Lebenslicht aus." "Großartig!" lachte Hagen und zog eine Flasche Wodka aus dem Gewand. Die beiden fingen an, ausgiebig zu bechern. Leicht angetrunken begannen sie, die Wachsfiguren zu demolieren. Erst schlugen sie Karl dem Großen die Ohren ab, dann köpften sie Julius Cäsar. Dem Conte Mirano wurde es himmelangst, aber er rührte sich so lange nicht, bis ihm Hagen einen Fußtritt in den Bauch verabreichte. Erstaunt sahen die beiden, daß diese Puppe nicht gleich den anderen in Stücke ging, sondern nur der Länge nach hinschlug. Sie tractierten sie so lange, bis der arme Graf es nicht mehr aushalten konnte und sein Heil in der Flucht versuchte. Doch ein Schuß aus Hagens Pistol vereitelte sein Vorhaben. Der Steinklopferhans nickte Hagen anerkennend zu und nahm das Bargeld und die Uhr des Getroffenen an sich. Dem Conte gelang es noch, bevor er verendete, eine Tube Kittifix in den Lauf von Steinklopferhansens neuem Jagdgewehr zu entleeren. Die beiden Schurken verließen ernüchtert das Cabinett, um ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Am folgenden Sonntag startete das Unternehmen. Als Lika Hagen erblickte brach sie programmgemäß zusammen. Dann ertönte ein fürchterlicher Knall. Da das Projectil den verklebten Lauf nicht verlassen konnte, blies die Explosion dem Steinklopferhans den gesamten Verschluß ins Gesicht. Übel zugerichtet und noch übler gelaunt entkam er nur mit Mühe den Zugriffen der Polizei. Hagen stürzte sich mit einem Messer auf den verhaßten Bruder. Doch dieser beförderte ihn mit einem gekonnten Judogriff in eine in der Nähe befindliche Kläranlage. Geschickt abtauchend entkam auch Hagen den Häschern.

Das Wiedersehen Behringers mit Toni und den Vierlingen war so rührend, daß selbst dem alten Greenwille die Zähren nur so die Wangen herabschossen. Er nahm die Familie bei sich auf, ließ sie trauen und setzte Behringer als Universalerben ein. Um die Sache ein wenig zu beschleunigen, besann sich Toni ihrer alten Practiken und vergiftete den alten Greenwille vierzehn Tage später. Das geerbte Vermögen brachte aber auch kein Glück, denn die drei Söhne versoffen es schnell in den Kneipen der Umgebung, und nur Angla versprach einmal ein anständiger Mensch zu werden. Behringer und Toni wagten mit 6000 Pengö und einigen Diamanten ausgerüstet die Rückfahrt nach Europa. Doch damit kamen wieder neue Gefahren auf sie zu.

6. Kapitel

Steinklopferhans hatte kaum seine Kate erreicht, als er schon das Büchsenknallen seiner Verfolger, einer Hundertschaft Polizisten, vernahm. "Potz der Donner!" entfuhr es ihm, und er griff zu seinem alten Vorderlader. Durch ein in der Pappwand des Hauses befindliches Loch zielte er und wartete, bis der Anführer der Polizeitruppe ins Büchsenlicht geriet. Dieser war Dr. Mylius. "Oho, du edler Rechtsanwalt, hast dich also den Henkern verschrieben. Innerhalb einer Minute wird es bös um dich stehen.", zischte Hans durch die Zähne. Dann brannte er die Lunte an. Der Schuß ließ die Kate in sich zusammensinken. Dr. Mylius zeichnete, machte den Rücken krumm und brach ins Gehölz. Ehe Steinklopferhans sich zur weiteren Flucht wandte, setzte er seinen geliebten Schweißhund auf die Spur des Rechtsanwaltes. Die Luft wurde von den Bleistücken, die die Polizisten ihren Musketen entlockten, so dick, daß es schwerfiel zu atmen. Hans stürmte durch den finsteren Wald und wäre auch beinahe seinen Verfolgern entkommen, wenn nicht auf dem Platz, auf dem Jahre zuvor die Freimaurertagung stattgefunden hatte, immer noch Likas Handwagen gestanden hätte. Hans flog in vollem Laufe darüber und landete nach einigen Metern Flug mit dem Gesicht im Himbeerkörbchen. Als er aufstand, war ihm die Sicht genommen. Die Himbeeren klebten ihm die Augen zu, so daß er meinte, es wäre dunkel. Nachdem er zwei kapitale Fichten umgerannt hatte, scheiterte er an einem Buchenstamm, den kaum drei Männer umfassen konnten. Die Häscher konnten den Gauner ohne Mühe gefangen nehmen.

Vor dem Gerichtshof zu Mengersgereuth/Hämmern wurde er einstimmig zu siebenmal lebenslänglich Kerker verdammt. Er büßte seine Haft auf einer alten Burg zu Felseck ab. In der Nähe der Burg befand sich eine Kapelle, deren 1. Sekretär Hagen von Felseck, ein Pfarrer besonderen Kalibers, war. Ja, der enttäuschte Bruder war unter die Heiligen gegangen und sagte oft: "Wenn erst genug Geld im Opferstock ist, kaufe ich mir eine Kanone und schieße Berndt den Kopf genau zwischen den Ohren weg." Wie es mit ihm weiterging und wie er mit dem Steinklopferhans zusammentraf, erfährt der werte Leser im zweiten Buch dieses Werkes.

Förster Rott hatte Gefallen an der jungen Frau Behringer gefunden, in der der Leser unschwer die Felsentoni erkannt hat. Lange Zeit überlegte er, wie er ihr Herz gewinnen könnte. Als er einmal mit ihr sprach, sagte sie ihm, daß ein Mann, der Mut besäße, bei ihr alles erreichen könne. Rott dachte angestrengt nach. Als einmal im Walde, unweit von Behringers Villa, eine Jagd stattfand, fielen zwei Schüsse auf einmal. Schnell feuerte Rott auch einen Schuß ab, dessen Knall man von den anderen nicht unterscheiden konnte. Er durchschoß den Riegel von Tonis Fenster entzwei. Dann stieg er kühn in ihr Gemach. Als Behringer zeitiger als erwartet von der Jagd zurückkehrte, traf er in Tonis Bett auf den Förster Rott. "Lump, was suchst du hier?" donnerte er ihn an. Rott wurde schier blau vor Angst. Schnell raffte er sein Gewand und enteilte durchs Fenster. Behringer verfolgte ihn unablässig. Bei Brest erreichten sie die Atlantikküste. Todesmutig sprang Rott auf ein vorbeifahrendes Dampfschiff und erwischte es auch am Schaufelrad. Übel durchgeschleudert entkam er nach Amerika.

Nun lebten unsere beiden Helden, Berndt von Felseck und Behringer, lange Zeit glücklich mit ihren jungen Frauen. Doch wie wird das in Zukunft werden?

 

Zweites Buch

1. Kapitel

Dunkel war die Nacht hereingebrochen, schwarz tobten die Wolken über den Zinnen der alten Burg zu Felseck. Hagen begab sich zu seinem allabendlichen Gang in die Burg, um den Gefangenen durch fröhliche Trinksprüche und Vorlesungen aus der Bibel neue Kraft in ihrem harten Los zu geben. Heute hatte sich seine Stirn besonders umwolkt. Kühne Pläne zuckten hinter seinem Hirn. Nein, er hatte die Gedanken auf einen Besitz Likas noch lange nicht aufgegeben. Sie dünkte ihn immer noch das schönste Weib der Grafschaft Steinach.

Nach seiner Judoniederlage traute er sich aber nicht an seinen Bruder Berndt heran. Deshalb suchte er den Steinklopferhans in seiner Zelle auf. "Grüß dich, vermaledeiter Großoberst", begann er das Gespräch. Ja, Hagen war, trotzdem durch seine Adern blaues Blut pulste, so weit gesunken, daß er mit diesem nichtswürdigen Gauner auf Du und Du stand. "Was würdest du sagen, wenn ich dir zur Freiheit verhülfe, denn du glaubst doch nicht, daß du deine siebenmal lebenslänglich überlebst", fuhr er nun fort, seine verfallenen Augen auf den Steinklopfer gerichtet. "Das würdest du tun?" fragte Steinklopferhans und lächelte hinterhältig. "Was hängt da noch für eine Epistel dran?" "Du mußt mir fortan ein treuer Untertan sein und mir in allem gehorchen; aber habe keine Angst, so mancher gute Batzen echter Menghämmer Volksdahler wird dabei für dich herausspringen." Damit war die Verschwörung gegen das glücklich liebende Paar Lika und Berndt eine entsetzliche Tatsache, und neue Unbillen kamen auf die beiden redlichen Menschen zu.

Einen Tag später, nachdem Hagen und der Steinklopferhans ihr Abkommen getätigt hatten, erhielt unser anderes Paar, nämlich Behringer und die jugendfrische Toni, einen Brief aus San Franzisko. Da sie nicht wußten, wo dieser Ort gelegen, erbrachen sie das Kuvert und lasen erstaunt folgende Worte: "Lieber Freimaurerbruder Behringer. Einer Eingebung des großen Klabautermanns zufolge habe ich erfahren, wo der Freimaurerschatz zu finden ist. Da es aber unmöglich ist, die Loipe, die zu diesem Ort führt, allein zu bezwingen, bitte ich dich, heute abend 23.29 Uhr, an die einzelnstehende Kugeltanne an der Schlucht zu kommen. Mit warmen Brudergruß, Trot." Behringer war höchlichst erstaunt, solches zu lesen. Wenn auch für ihn von vornherein feststand, nicht zu diesem Ort zu gehen, um sein Familienglück nicht durch Gold zu zerstören, konnte er den Gedanken nicht loswerden, dennoch zu diesem Orte zu eilen.

So machte er sich des Abends heimlich auf den Weg zum Treffpunkt. Genau eine Minute vor Mitternacht langte er am Kugelbaum an. "Potz Donner!" dachte er und es entfuhr ihm ein lautes "Donner und Doria!" Vor ihm stand der Förster Rott und richtete eine mittelschwere Haubitze auf seinen Leib. "Mäh, hopp", sagte der Förster und setzte sein hämischstes Grinsen auf. "Diesmal habe ich dich in der Gewalt, ich werde dich nur freilassen, wenn du mir Toni schenkst und statt meiner nach Amerika auswanderst." "Dann weißt du also gar nicht, wo der Schatz liegt, du schamloser Verräter, Sie", sagte Behringer und schüttelte mißgestimmt den Kopf. "Erraten!" hallte das bösartige Lachen des Försters durch die Schlucht. "Meine Frau bekommst du nur über meine Leiche", brüllte ihm Behringer ins Gesicht. "So schnell wollte ich sie eigentlich gar nicht haben", kicherte Rott und setzte die Lunte in Brand. Als der Schuß sich schon fast gelöst hatte, sprang plötzlich ein Fremder aus dem Gesträuch und warf sich gegen den Lauf der Haubitze. Das 24-Pfünder-Geschoß verfehlte sein Ziel. Rott warf sich wütend auf den Fremden, in dem der Leser unschwer den Waldläufer Brendel erkannt hat. Es entspann sich ein harter Kampf. Bald schien es, daß der Förster, bald, daß der Waldläufer in den Abgrund stürzen würde. Auch Behringer wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Doch dann entschied der kühne Behringer den Kampf. Durch einen geschickt gefinteten Bodycheck stieß er den Förster in die Schlucht. Mit gräßlichen Flüchen um sich werfend trudelte dieser in die Tiefe.

Behringer warf sich freudestrahlend seinem Retter um den Hals. Doch dieser versetzte ihm einen wuchtigen Faustschlag in die Magenbeuge. "Was soll das?" rief Behringer entsetzt und erwiderte die ihm widerfahrene Schmerzzufügung mit einem gekonnten Konterschlag auf das Auge seines Retters. Dieser brüllte auf wie ein Leu. "Ich habe, oh Graus, meinen besten Freund und Bruder in den Abgrund gestoßen, im Glauben, das seiest du. Oh weh, ich Unglücksdohle, ich seltener Kiwitt." So kauderwelchte der Waldläufer noch eine Weile vor sich hin und sprang dann, die Haubitze hinter sich herziehend, so manche Zähre vergießend, auf dem Waldwege davon. Behringer schlug den Weg zu seiner Unterkunft ein.

Derweil hatte der Gefängnisgeistliche Hagen seine Kutte abgeworfen und in seiner ruchlosen Art den Gefängnisaufseher niedergeschlagen, um ihm seiner Schlüssel zu berauben. Nachdem dieses getätigt, öffnete er die Zelle de Steinklopfers und sprang mit diesem durch die finsteren Gänge der Haftanstalt in die Freiheit. In Hagens Kapelle angekommen, schmiedeten sie nach einem kräftigen Gelage finstere Pläne gegen das glückliche Paar. Diesmal sollte es nicht an einer Tube Kittifix scheitern. Hagens Idee schien die beste zu sein. Der Steinklopferhans sollte an Berndtens Haus Feuer legen. Hagen wollte warten, bis Berndt verbrannt wäre, und dann wollte er Lika aus den Flammen retten. Sollte jedoch Berndt wider Erwarten überleben und aus den Flammen stürzen, dann würde ihm der Steinklopferhans mit einem Schnellfeuergewehr den Gar ausmachen. Zu diesem Behufe hatte Hagen schon 23 Schnellfeuergewehre aus den Staaten bezogen, die in Reihe geschaltet ein Versagen wohl ausschalteten. Es war also an alles gedacht, und der Plan wurde nach einer zweistündigen Beratung angenommen.

Wenn Behringer gedacht hatte, daß der Waldläufer und der Förster ihn von nun an in Ruhe lassen würden, so hatte er sich sehr getäuscht. Schon am nächsten Tag erwartete ihn eine unliebsame Überraschung. Des Abends, als er schlafen gehen wollte, fand er in seinem Bett nicht wie gewohnt Toni vor, sondern das Bett war völlig leer. Das machte ihn stutzig. Wutschnaubend verließ er das Haus, um seine ungetreue Frau zu suchen. Als er die Grünanlagen vor seiner Wohnung absuchte, fand er Toni in unzweideutiger Situation mit dem Waldläufer Brendel vor. Erzürnt entriß er diesem sein Eheweib und schlug ihn in die Flucht. Doch kaum hatte er mit Toni sein Haus betreten als ein ungeheuerlicher Knall anhieb. Eine fürchterliche Explosion beraubte das Haus seiner oberen Stockwerke und ließ es schließlich in seine Bestandteile zerfallen. Brendel hatte die Haubitze auf Behringers Villa abgefeuert. Als Behringer und Toni dreckverschmiert aus den Trümmern auftauchten, waren sie vollkommen mittellos.

2. Kapitel

Steinklopferhans hatte auf einem liebevoll zubereiteten Balken seine 23 amerikanischen Schnellfeuergewehre in Stellung gebracht. Nun schichtete er Strohballen auf und zündete sie mit Hilfe seines Feuerzeuges an. Das heißt, er wollte sie anzünden. Doch das Gerät, das wie die Gewehre ein Geschenk der amerikanischen Freimaurer war, versagte wiederholt. Fluchend wollte er sein Vorhaben schon aufgeben, als plötzliche eine Gestalt sich zu ihm herunterbeugte und ihm wortlos einen fünfarmigen Leuchter reichte, auf dem alle Lichter brannten. Hans bedankte sich artig. Dann steckte er das Stroh in Brand und schaute sich zufrieden nach seinem Helfer um. Er staunte nicht schlecht, als er in ihm Berndt von Felseck erkannte. Trotzdem verlor er nicht die Beherrschung und indem er höflich den Hut lupfte verschwand er hinter seine Gewehre. Berndt begab sich unterdessen zu seiner Haustür. Erstaunt fuhr er herum. "Halunke, das ist ja unser, mein eigen Haus. Ha, jetzt heißt es mein Weib retten!" Und Zeter und Mordio schreiend stürmte er ins Haus. Steinklopferhans rieb sich lachend die Hände. Er sah schon die fette Prämie auf sich zukommen.

Doch da tauchte Hagen neben ihm auf. "Nun, glaubst du, daß er schon verbrannt ist?" fragte er. Doch ohne eine Antwort abzuwarten stürzte er in das brennende Gebäude. Drinnen traf er nach langwierigem Suchen zwar nicht auf Toni, aber auf seinen Bruder Berndt. Als dieser ihn erblickte rief er mit Inbrunst in der Stimme: "Mein Bruder, vergiß, was uns trennte. Laß uns jetzt nicht streiten und hilf mir mein Weib, meine geliebte Lika zu finden." Hagen, dessen Wunsch mit dem letzteren Teil von dessen Rede ja übereinstimmte, sicherte teuflisch grinsend seinem Bruder seine Hilfe zu, sann dabei aber nur darauf, Berndt zu vernichten. Nachdem sich beide umarmt und scheinbar versöhnt hatten, suchten sie gemeinsam das brennende Gebäude nach Schön-Lika ab.

Da entdeckte er einen Lichtschacht, der, als Müllschlucker umgebaut, in der Kanalisation endete. Geschickt lockte er seinen Bruder in die Nähe dieses Schachtes. "Wohin führt dieses Geröhre?" fragte er scheinheilig. "Ach", meinte Berndt, "wer da hineinfällt, der kommt wohl nie wieder ans Tageslicht. Dieser unterirdische Fluß führt durch so viele Höhlen, so daß jeder, der darin schwimmen muß, unweigerlich ertrinkt." "Dank für diese Aufklärung!" schrie Hagen jauchzend und stürzte seinen entsetzten Bruder in den Schacht. "Endlich werde ich Lika besitzen, und du wirst mich nicht daran hindern." Unter erfolgte ein dumpfes Klatschen und Bernd von Felseck war verschwunden. Für immer?

In dem Brunnen, unweit von Likas brennendem Hause, bewegte sich plötzlich etwas. Das war nicht Berndt, nein, dessen Wasserader hatte eine andere Richtung. Dort unten erwachte in dem schon lange tot geglaubte Magister Schellhammer wieder das Leben. Mit fürchterlichen Kopfschmerzen erwachte der arme Magister aus seiner jahrelangen Bewußtlosigkeit. Mühsam faßte er sich an den Kopf. Entsetzt zuckte seine Hand zurück. Aus seinem Schädel ragte sauber eingewachsen ein scharfkantiges Steigeisen heraus. Schellhammer richtete sich langsam auf. "Verdammt", fluchte er, "wenn ich diesen Schurken erwische, der mir damals das Steigeisen in die Birne gerammt hat, dann schlage ich ihn tot." Und vorsichtig kletterte er aus dem Brunnen. Kopfschüttelnd betrachtete er die brennende Villa. Dann stülpte er sich seinen Hut über das Steigeisen und ging auf den Eingang zu. Aus diesem sprang soeben Hagen mit seiner süßen Beute, Schön-Lika, die er in einem großen Kartoffelsack auf der Schulter trug. Da trat Schellhammer vor ihn hin. "Du bist doch der Lump, der mir vor fünf Jahren das Steigeisen in den Kopf gerannt hat. Jetzt werde ich es dir in den Bauch rennen." Voller Entsetzen starrte Hagen auf dieses erneute Hindernis. Dann ließ er den Sack fallen und stürzte sich auf den Widersacher. Doch der Magister warf den Hut zu Boden, senkte den Kopf und rannte auf Hagen zu. Dieser konnte nicht schnell genug ausweichen, und so rammte ihm der Magister das scharfe Eisen in den Leib. Hagen ging röchelnd zu Boden. Schellhammer hob den Sack auf und wollte sich davon machen.

Steinklopferhans hatte völlig die Übersicht verloren. Deshalb beschloß er, auf gut Glück einfach drauflos zu ballern. Er tat es in dem Moment, als Hagen noch einmal aufsprang, um seine so mühsam errungene Beute zurückzuholen. Von den 23 Schnellfeuergewehren gingen acht los. Von diesen acht Kugeln trafen drei den armen Hagen. Er sagte keinen Ton mehr und brach in die Knie, nachdem er ausgiebig gezeichnet hatte. Hans sprang auf den übriggebliebenen Magister zu, um zu sehen, ob der richtige am Leben geblieben sei. Der Magister war höchlichst überrascht, so viele Menschen hier anzutreffen. Da er aber wenig Lust verspürte, sich in Diskussionen einzulassen, drehte er sich diesmal wortlos um und stieß dem Steinkolpferhans das Steigeisen in den Bauch.

Berndt erwachte, als er gerade in ungeheurer Eleganz ein Wehr hinabschoß. Erstaunt sah er, daß er mitten auf der Elbe trieb. Er glaubte sich schon verloren. Doch da kam ein kleines Boot herangeschwommen. Berndt kraulte zu diesem und enterte es mit kühnem Schwung. Er staunte nicht schlecht, als er darin Behringer und Toni entdeckte. Diese hatten sich nach ihrer völligen Verarmung aus Angst vor dem Waldläufer Brendel bei Nacht und Nebel davongeschoren. Berndt erkannte sofort den ehemaligen Ehemann seiner Lika. Da er diesen nicht besonders leiden konnte, entspann sich sofort ein heftiger Kampf, im Verlaufe dessen Behringer kopfüber ins Wasser stürzte. Toni wollte schon dem Geliebten nachspringen, doch Berndt verhinderte dieses. So trudelte Behringer die Elbe weiterhin hinab, während Berndt mit Toni in den Mittellandkanal abbog.

3. Kapitel

Magister Schellhammer ging fröhlich pfeifend mit dem Kartoffelsack über der Schulter des Weges. Er gedachte, diesen in der Schlucht zu entleeren und seinen Inhalt zu begutachten. Aus diesem Grunde band er einen Strick an einen Baum und ließ sich in die Schlucht hinabgleiten. Nach harten Mühen langte er unten an. Erschöpft ließ er den Sack am Fuße eines Baumes zu Boden fallen. Dann öffnete er den Knoten des Strickes und schüttete den Inhalt des Sackes auf den Boden. Als er die ohnmächtige Lika erblickte und erkannte, jubelte er lauthals und sprang zwei Sashen in die Höhe. Doch zu seinem eigenen Erstaunen kam er nicht wieder herunter. Er hatte sich mit seinem Steigeisen an einem Ast des Baumes festgehakt und mußte aus zwei Metern Höhe zuschauen, was in den nächsten Minuten geschah. Plötzlich trat nämlich ein Mann aus einer Höhle. Dieser war der Förster Rott. "Traunfürwahr, eine lustige Überraschung", murmelte er tückisch vor sich hin. Dann trat er zu der noch immer ohnmächtigen Lika. Als er sich über sie beugte erblickte er den im Geäst hängenden Schellhammer. Ein schlaues Lächeln verklärte seine Züge. Schnell füllte er Lika wieder in den Kartoffelsack und sprang zu dem vom Felsen hängenden Seil. Wie ein Affe stürzte er die Felswand hinan. Wilde Flüche des noch immer hilflos am Baum hängenden Magisters hallten hinter ihm her.

Berndt und Toni nährten sich inzwischen über Weser und Werra wieder ihrer Heimat. Berndt ließ sich sofort wieder ein Haus bauen, und auch Toni durfte darinnen wohnen. Doch verzehrte sich Berndt fast vor Sehnsucht nach seiner Lika. Und diese Sehnsucht sollte bald gestillt werden. Eines Tages traf der Förster Rott mit einem Kartoffelsack über der Schulter in Berndtens Villa ein. Als er Toni erblickte, begann er vor Freude von einem Bein auf das andere zu springen. Er ging zu Berndt, gab ihm den Sack und sagte: "Ich möchte mit dir die Frauen tauschen. Sieh dir meine an und entscheide, ob du mitmachen willst." Berndt kippte den Sack aus und erstarrte vor Freude. Er umhalste den Förster, gab ihm noch zwei Batzen und versicherte ihm, er könne Toni ruhig mitnehmen. Toni, die zwar früher an dem schmucken Forstmann Gefallen gefunden hatte, jetzt aber Berndt mehr zugetan war, zeigte sich mit dieser Regelung nicht einverstanden. Als aber Berndt selbst mithalf, sie in den Kartoffelsack zu stecken, ergrimmt sie und schwor ihm blutige Rache.

Zu Hause packte Rott schnell seinen Schatz aus. Doch Toni verdarb ihm die Freude an diesem schönen Tag. Geschwinde schwang sie sich aus dem Fenster, um zu entfliehen. Doch wenige Meter vom Haus entfernt prallte sie mit Dr. Mylius zusammen. Dieser entflammte bei ihrem Anblick sofort und stellte sich dem anstürmenden Rott mit den Worten entgegen: "Ha, Sie kleiner Trickbetrüger, dich werde ich an den Galgen liefern." Und die zwei edlen Kämpen prallten aufeinander, so daß die Funken stoben. Als zum Schluß der Förster durch einen wuchtigen Hieb den Kopf des Rechtsanwaltes vom Rumpfe trennte und ihn somit tötete, war Toni schon lange verschwunden. Der Förster nahm die Verfolgung auf. Doch er sollte nicht weit kommen. Unterwegs traf er den Inquirenten von großem Ruf, Ebers, der ihn auch prompt Kraft seines Amtes festnahm und ihm binnen kurzer Zeit 93 Verbrechen nachwies, von denen Rott kein einziges begangen hatte. Als Rott, völlig entnervt, seinen Mord an Mylius gestand, sagte Ebers mitleidig: "Mann, machen Sie sich doch nicht schlechter als Sie sind. Den Mord hat der Steinklopferhans begangen, Sie brauchen ihn nicht zu decken." Rott wurde zu lebenslänglich Haft mit Rauchverbot verurteilt.

Behringer war nach seiner mühevollen Fahrt in Hamburg an Land gegangen. Dort suchte er sich Heuer an einem großen Kahn. Der Kapitän ließ vorerst die ganze Mannschaft antreten und Behringer den Hintersteven, wie er sich scherzhaft ausdrückte, versohlen. Nachdem Behringer diese Prozedur überstanden hatte wurde er in die Mannschaft aufgenommen. Der Kapitän des Schiffes war - wie jeder bereits bemerkt hat - Herb, der zweite der Vierlinge. Behringer gab sich als sein Vater zu erkennen, und Herb beförderte ihn sofort zum 3. Offizier. Dann schifften sie in See. Bei einem Gefecht mit einem anderen Piratenboot wurde Behringer gefangen und in einer Tonne verpackt ins Meer geworfen.

Doch wenden wir uns dem Schicksal von Toni zu. In ihrer Angst war sie durch ganz Bayern geflohen und war erst an der Französischen Mittelmeerküste zum Stehen gekommen. Doch hatte sie in einer Lotterie den Hauptgewinn gezogen und eine Handelsniederlassung aufgebaut. Sie kaufte alten Müll auf und ließ alles Holz zu Pulver zermahlen und als Rauschgift verkaufen. So verdoppelte sich ihr Vermögen innerhalb von jeweils 14 Tagen. Bald war sie die reichste Frau von ganz Frankreich. Sie gründete einen eigenen Staat, den sie "Mord-, Opium-, Nikotin-, Alkohol-, Cocain-Oberwaldland" nannte und der später nur kurz Monaco genannt wurde.

Eines Tages wurde ihr mit einer Sendung Treibholz eine mächtige Tonne mitgeliefert. Toni befahl, diese Tonne zu Opium zu verarbeiten. Doch eine Stunde später kam der Oberholzzermahler mit entsetzter Miene zu ihr. Er sagte ihr, daß die Tonne, als man sie zum Bleichen ins Säurebad gegeben hatte, plötzlich zu reden angefangen hätte und dabei unflätige Flüche ausgestoßen habe. Toni schaltete schnell. Sie kündigte im Lande eine Sensation unter dem Titel "Die röhrende Tonne von Monaco. Ein unheimliches Lehrbuch für schweinische Wörter" großartig an. Mit dieser Show verdiente sie innerhalb weniger Wochen runde 100 000 Gallonen Goldes. Sie brauchte nur etwas Säure auf das Faß zu gießen, und schon fing es an zu fluchen. Doch auch dieses Geschäft ging zu Ende. Das Gefluche des Fasses wurde immer leiser, und so beschloß Toni, die Tonne zu verkaufen. Hätte sie geahnt, wer da in der Tonne saß!

Verlassen wir die "röhrende Tonne" und wenden uns dem Schicksal Hagens zu. Von drei Kugeln durchschlagen und vom Stich des Steigeisens über zugerichtet hatte er lange Zeit im Bett gelegen und laboriert. Doch kaum daß er gesundet war, sann er darauf, den Magister für seine Untaten zu strafen. Er stählte seinen Körper, indem er täglich mit dem Steinklopferhans harte Hiebe tauschte. Nachdem Hagen ca. 23mal k.o. geschlagen worden war, obsiegte er eines Tages in überlegener Manier. Da sah er den Zeitpunkt gekommen und schickte seine Sekundantenn zum Magister, der inzwischen eine Villa bezogen hatte und in der Dorfschule Unterricht im Gebrauch von Waffen und Giften gab.

Als der Magister von der kühnen Herausforderung hörte, lachte er zunächst hämisch, doch als die Sekundanten fort waren, überzog eine Leichenblässe sein Gesicht. Nicht, daß er Angst hatte, oh nein, er fürchtete nur um sein wiedergefundenes Leben. Doch bald gelang es ihm, wieder klar zu denken. Er bestellte sich den Waldläufer Brendel als Sekundanten und schliff sorgsam sein Steigeisen an.

Tonis Schwindel platzte eines Tages. Ein opiumsüchtiger Polizeichef hatte den Betrug bemerkt und ließ in seinem Zorn Toni verhaften. Nur auf Grund ihrer Schönheit gelang es ihr, ihn zu verführen und anschließend zu entfliehen. Sie gelangte bald wieder in Steinach an, mußte aber in der Illegalität leben, weil sie Behringer nicht finden konnte; und zudem hatte ihr Steckbrief schon die Runde gemacht und hing an jedem Baum im Thüringer Hinterwald. Sie verblendete sich in einer Felsspalte und harrte der Dinge, die da kommen würden. Aber zunächst kamen keine, und so wenden wir uns wieder dem Zweikampf zu, den Sie, hochgeschätzter Leser, sicher mit Spannung erwarten.

Die beiden Kontrahenten trafen sich auf dem Dorfanger in Steinach. Prächtig waren die beiden Burschen anzusehen. Hagen trug ein Waffenkleid nach der neuesten Perther Mode. Auf seiner verfallenen, aber dennoch reckenhaften Brust prangte in güldenen Buchstaben die Worte "Um zu rüsten Weib und Kind, baut Rüstzeug Harry Gow, der Schmied vom Wynd". Sein Gegenüber, der berühmte Magister Schellhammer, stand seinem Gegner in Prunk nicht viel nach, wenngleich er auch nach der neuesten amerikanischen Mode gekleidet war. Auf seinem Haupt glänzte stolz das frischgewienerte Steigeisen. Von den Sekundanten übertraf dagegen einer den anderen in der Schäbigkeit seiner Kleidung. Nach langem Überlegen kamen die neugierigen Zuschauer zu dem Schluß, daß der Steinklopfer, bei dem sogar die langen Unterhosen kuhkopfgroße Löcher aufwiesen, der schäbigste sei.

Zu Beginn des Kampfes schmähten sich die beiden Recken auf das Übelste. Als sie glaubten, sich genügend gereizt zu haben, stürmten sie aufeinander los. 68 Gänge konnte keiner einen sichtbaren Vorteil erreichen, denn Hagen wich geschwind den Stichen des Steigeisens aus, und Schellhammer tauchte genauso flink unter den wirbelnden Fäusten des Adligen hindurch. Doch ehe etwas geschah, mußte der Kampf unterbrochen werden. Die beiden Sekundanten waren sich in die Haare geraten, und der Steinklopferhans war gerade dabei, dem Waldläufer mit einer Zaunslatte, die er zufällig bei sich trug, den Hintern durchzubläuen. Die Kampfhähne wurden mit viel Mühe und unter großen Verlusten - die Zuschauer hatten 14 Tote zu beklagen - getrennt, und die Hauptattraktion konnte fortgesetzt werden.

Wieder trafen die zwei Erzfeinde aufeinander, so daß die Funken stoben. Diesmal wurde Hagen mit dem Steigeisen in die linke Schulter getroffen. Der Magister wurde aber vom Schwung so herumgerissen, daß er taumelte. Hagen nutzte seine Chance, und bevor er anfing zu zeichnen versetzte er dem Magister so einen gewaltigen Hieb, daß dieser sich zwei Klafter in die Höhe hob und mit einem Wehlaut wieder auf dem Erdboden ankam und vorerst nichts mehr sagte. Hagen zeichnete nur kurz, doch dann begann er auf dem Anger einher zu springen und ununterbrochen zu rufen: "Ich bin der Größte, ich bin der König der Welt!" Doch seine Freude währte nicht lange, denn plötzlich tauchte Lika auf dem Platze auf, ein Terzerol in der Linken. "Meuchler!" rief sie, die aus unerklärlichen Gründen glaubte, Schellhammer wäre einer ihrer Retter, und feuerte die Waffe auf Hagen ab. Da sie noch nie gut geschossen hatte, verfehlte sie auch diesmal ihr Ziel um etliche Meter. Doch der gewitzte Hagen stellte sich auf der Stelle tot. Und er hatte richtig gerechnet. Lika wurde sofort vom Inquirenten von großem Ruf, Ebers, verhaftet und in einem Schnellverfahren wegen fahrlässiger Tötung zur Verbannung nach Odd Fellow Island verurteilt. Hagen entkam noch in der gleichen Nacht aus dem Leichenschauhaus.

4. Kapitel

Die Tonne, in der Behringer sich befand, hatte der berühmte Geldfälscher und Gelegenheitsmörder Bogomil Dotter gekauft. Unschwer ist zu erraten, daß es sich hierbei um Bodo, den dritten der Vierlinge, handelte, denn die Abkürzung des Namens verrät das dem gewitzten Leser. Dieser glaubte, durch eine Sonderbehandlung die Tonne wieder zu lauten Flüchen bewegen zu können. Er tränkte sie in einer Babysan-Lösung und wartete einige Tage. Behringer, dem diese Veränderung seiner Nahrung sehr willkommen war, schluckte mehrere Liter diese bekömmlichen Breies und kam bald wieder zu Kräften. Auch seine Gesichtsfarbe, die durch den überreichlichen Genuß von Säure eine dunkelgrüne war, hellte sich langsam wieder auf. Doch als eines Tages wieder Säure in das Faß einfloß, war er so erbost, daß er vor lauter Wut das Fluchen vergaß. Bodo, darob höchlichst enttäuscht, schickte die Tonne nach Amerika als Geschenk für seine Schwester Angla. Leider ging das Begleitschreiben verloren, und Angla, die merkte, daß ihr die Tonne nichts einbrachte, beschloß, sie wegzuwerfen. Zu diesem Behufe fuhr sie an den Niagara und warf die Tonne hinein. Diese stürzte unter ohrenbetäubendem Getöse die riesigen Fälle hinunter und zerplatzte unter der Vonsichgabe eines schrecklichen Knalles. Behringer wurde hinausgeschleudert und trudelte in einem Wirbel des Niagara herum.

Als Berndt hörte, daß seine Lika verbannt worden war und schon nach Odd Fellow Island unterwegs sei, beschloß er, entweder seinem Leben ein Ende zu setzen oder sie wiederzufinden. Nach längerem inneren Kampf entschloß er sich für die zweite Variante. Er durchstreifte zunächst den Hinterwald, um einen unterirdischen Gang zu entdecken, der ihn nach Odd Fellow Island führen sollte. Eines schönen Tage kletterte er wieder in einer höhlenreichen Gegend umher. Da entdeckte er eine Höhle, die sehr lang zu sein versprach. Er stieg hinein und tastete sich im Dunkeln vorwärts. Nachdem er wohl acht Stunden einher geirrt war, stieß er auf einen menschlichen Körper. Nach langem Betasten stellte er fest, daß es sich um eine Frau handeln müsse. Voll Freude begann sein Herz wie ein Dampfhammer zu schlagen. Überschwenglich warf er sich der Schönen um den Hals, im Glauben, es sei seine Lika. "Oh, Liebling, welch Lust und Wonne, dich wiedergefunden zu haben", stammelte er. "Die Freude ist ganz auf meiner Seite", war die Antwort der schönen Fee, die sich zu unserer Überraschung als Toni herausstellte. Doch keiner von beiden bemerkte, daß er den falschen Partner erwischt hatte, und so vergnügten sie sich mehrere Wochen lang.

Hagen und der Steinklopferhans glaubten ihrer Sache nunmehr sicher zu sein und mieteten sich ein Schiff, um die Überfahrt nach Odd Fellow Island zu wagen. Dort glaubte Hagen sich mit Leichtigkeit in den Besitz von Lika bringen zu können. Doch ihr Schiff wurde in einem Sturm leck geschlagen, und die beiden Gauner mußten mit einem Rettungsboot die Fahrt fortsetzen. Eines Tage sahen sie Land in dwars und spierten in kühnem Achterschwung darauf zu. Zu ihrem Schrecken merkten sie bald, daß sie die Strafkolonie Port Arthur angelaufen hatten. Kaum waren sie an Land gegangen, griffen einige Polizisten sie mit Waffengewalt an. Sie verteidigten sich reckenhaft. Während ihnen die Granaten und Minen größeren Kalibers nur so um die Ohren pfiffen, schlugen sie eine Bresche nach der anderen in die Reihen der Polizisten. Doch gegen einen der Feinde konnten sie nichts ausrichten: ein vier- bis fünfschrötiger Kerl mit germanischem Lächeln auf den Lippen. Das war der Dorfpolizist Mattäi aus Mengersgereuth/Hämmern. Steinklopferhans war bei einem seiner Fischzüge in der Heimat mit ihm zusammengeraten. Als er den Dorfpo erkannte, der es in der Zwischenzeit zu einem Feldwebel der Gefängniswache gebracht hatte, zitterte der Steinklopferhans vor Angst und ergab sich. Hagen focht noch eine Weile, und als er merkte, daß außer Mattäi keiner der Polizisten mehr am Leben war, ergab er sich ohne Widerstand.

Die beiden wurden von Mattäi mit Fußtritten traktiert und dem Gefängsvorsteher vorgestellt. Dort wurde es dem Steinklopferhans noch schlechter, denn der Vorsteher entpuppte sich als der Oberpolizeirat Häufner, der ehemalige Dorfsheriff von Menghäm. Der lachte hämisch, als er die beiden sah, und sagte: "Ich weiß zwar, daß ihr nie von dieser Insel geflohen seid, aber ich werde euch als solche entlarven. Da kann ich nämlich eure Strafe erhöhen und euch einer härteren Arbeit zuteilen." Und er ließ die beiden als Auftakt vom Feldwebel Mattäi verdreschen, daß ihnen Hören und Sehen verging. Dann wurden sie in einem Steinbruch angekettet und mußten arbeiten. Dabei hatten sie Glück, denn Hagen als Adliger brauchte nur Schreiberdienste zu machen, und der Steinklopfer war ja nur in seinen alten Beruf zurückgekehrt. Doch ewig wollten sie nicht hier bleiben.

Behringer trieb schon einige Monate im Strudel auf dem Niagara. Da brach eines Tages eine große Trockenheit in den Staaten aus. Auch der Niagara trocknete aus, und Behringer wurde eines Tages durch einen unsanften Stoß geweckt. Er war auf Grund gelaufen. Schnell sprang er auf und wartete nicht erst, bis das Wasser wiederkam, sondern entfloh auf der Stelle. Er sprach bei seiner Tochter Angla vor, die in einer Bar Serviererin geworden war, aber nicht nur diesen Beruf ausübte. Außerdem war sie ihrem Taschendiebjob treu geblieben und verfügte dank dieser verschiedenartigen Einnahmequellen stets über ein auskömmliches Gehalt. Sie gab im Überschwang der Gefühle dem Vater ein stattliches Handgeld, so daß ihm die Tränen in die Augen traten und er bei sich dachte: "Sie ist doch die beste und reinste von den Vieren geworden." Er mietete sich eine Droschke mit Benzinantrieb und jagte dem Atlantik entgegen. Mit über 350 km/h erreichte er die Küste. Das bedeutete neuen Weltrekord! Doch da er nicht wußte, wie man bremsen muß, raste er über die Steilküste hinaus und flog etwa 4875 Sashen und 346 Werst durch die Luft. Der heftige Aufprall atomisierte sein Fahrzeug völlig, jedoch er blieb heil. Er schwamm straks zur nächsten Insel und erklomm das Ufer. Wie entsetzt war er, als er sich auf Odd Fellow Island befand! Doch da sah er plötzlich eine Frau. Er merkte voll Freude, daß es sich dabei um Lika handelte, was er sich allerdings nicht erklären konnte, während das unserem geschätzten Lesern wohl leichter fallen wird. Er sprang also voll Freude auf sie zu und umarmte die schöne Verbannte. Sie wehrte sich nicht.

Wie dieser wahrhaft interessante Roman weitergeht, erfahren Sie, neugieriger Leser, im dritten Buch.

 

Drittes Buch

1. Kapitel

Den Magister Schellhammer hatte Hagens wuchtiger Fausthieb beim Duell lange Wochen ans Bett gefesselt. Sein Steigeisen hatte sich gelockert und der Magister hatte gewaltige Ängste auszustehen, es gar zu verlieren. Aber er genas. Und so unterrichtete er weiter in der Steinacher Oberschule, in die er inzwischen avanciert war, die Kinder in der Benutzung von Giften. Doch sein Unterricht war sehr unkonzentriert. So starben fast alle Versuchsobjekte, für die die Schulleitung so manchen Batzen Goldes ausgegeben hatte. Schellhammer wurde aus dem Lehrdienst entlassen. Wie konnte es dazu kommen, daß der als gewissenhafter Mensch bekannte Magister so unaufmerksam wurde? Er grübelte. Versetzen wir uns, lieber Leser, einen Moment in des Magisters Gehirn, um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen.

'Es ist schon schlimm', so dachte der Magister trübe, 'daß nicht ich es war, der Hagen dötete, nein, das Üble ist, daß es das Weib war, welches ich liebe. Aber da habe ich immer mit einem Rätsel zu kämpfen. Wie konnte der dote Hagen aus dem Leichenschauhaus entkommen? Ha, ich habs!' Und dann rief der Magister laut aus: "Er lebt, der Schelm, er lebt! Jetzt heißt es nur noch, Lika zu finden und ihre Treffsicherheit zu testen. Wenn sie wirklich so schlecht schießt, dann ist der Hagen lebend entflohen und gar nicht dot!" Und sich drollig verrenkend sprang der Philosoph in sein Haus, um sein Felleisen und seine Botanisiertrommel zu packen. Er wollte zweierlei tun: Einmal mußte er Hagen finden, um ihn zu töten, zum anderen mußte er Lika aufspüren, um ihre Treffsicherheit zu überprüfen. Das letztere mußte natürlich zuerst geschehen, denn wenn Lika gut schießen sollte, dann würde sich ein Aufsuchen von Hagen erübrigen. Schellhammer bestrich sorgsam sein Steigeisen mit einer Rostschutzfarbe und machte sich auf den Weg, nicht ohne sein Lieblingslied "Auf, auf zum fröhlichen Jagen" munter in den Äther zu schmettern. Wir wollen ihn auf seiner Reise nicht begleiten, wohl aber im richtigen Moment wieder auf ihn treffen.

Steinklopferhans hatte die Tagesnorm von Port Arthur wieder einmal um ein Vielfaches überboten und wurde vom Feldwebel Mattäi zum Aktivisten ernannt. Als Belohnung mußte er am Sonntag zwei Stunden länger arbeiten, um im Steinklopfen einen neuen Weltrekord aufzustellen, der dann der englischen Königin gemeldet werden sollte. Mattäi versprach sich davon eine weitere Bförderung. Hans arbeitet so flink, daß Hagen mit dem Aufschreiben kaum nachkam. Sein Weltrekord war nahezu unwahrscheinlich. Als Belohnung wurde Mattäi zum Oberfeld ernannt und Steinklopferhansens Strafe auf zehn Jahre reduziert. Das schmeckte dem Oberpolizeirat Häufner gar nicht, der aus Hansens Rekorden auch gern Nutzen ziehen wollte. Deshalb bestellte er den Steinklopferhans zu sich. Er wies ihm schnell zwei Fluchtversuche nach und verlängerte seine Strafe wieder auf lebenslänglich. Da vergaß sich der Steinklopfer. Er murmelte tückisch zwischen den Zähnen "Bösewicht" und schlug dem Oberpolizeirat die Faust derart vor die Nase, daß nicht nur diese ihre Form änderte, sondern auch der Kopf sich vom Rumpfe löste und mehrere Klafter weit flog. Der arme Häufner verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Steinklopferhans stürzte so schnell er konnte in das Zimmer des Oberfeld Mattäi. Dort wühlte er in wilder Hast in den Schubladen. Da, plötzlich erstrahlte sein Gesicht vor Freude. Er hatte das gefunden, was er suchte. Endlich konnte er sich an dem verhaßten Dorfpo rächen. Teuflisch lachend zerschlug er alle Orden des ehemaligen Dorfpos mit einem Hammer. Nachdem dieses frevelhafte Werk getan, gebärdete sich Hans wie närrisch und wollte mit seinem Freudentanz gar nicht wieder einhalten. Da öffnete sich die Tür und der Oberfeldwebel Mattäi stürmte herein. "Ergib dich, du Lump!" brüllte er und richtete zwei Maschinengewehre und einen Minenwerfer auf den Steinklopfer. Dieser hob folgsam die Hände. Da fiel des Chargierten Blick auf die zur Unkenntlichkeit zermalmten Orden. Seine Augen wurden immer größer, und ohne ein Wort zu sagen brach er wie vom Blitz getroffen zusammen, eine gefällte Eiche. Steinklopferhans befreite flugs Hagen, kleidete sich um und lief zum Hafen. Dort mieteten beide ein Boot und entkamen unerkannt. Am nächsten Tag fand die Kriminalpolizei ein herzzerreißendes Bild vor. Mattäi saß vor seinen zerstörten Orden und weinte in mitleiderregenden Tönen. Die Criminalisten kamen nicht umhin, über zwei Stunden mit zu weinen, und keiner der Bewohner von Port Arthur, der dieses Bild sah, konnte es je wieder vergessen.

2. Kapitel

Sieben Monate waren in der Höhle im Thüringer Wald vergangen, als Berndt seinen Irrtum bemerkte. "Weh mir", rief er aus, nicht ohne sich heftig das Haar zu raufen. "Ich habe mich Wochen, nein Monate mit dem Weib eines anderen vergnügt, den ich zwar nicht leiden kann und dessen Weib mich auch nicht enttäuscht hat. Aber was ist inzwischen aus meiner Lika geworden?" So mit sich hadernd stieß er Toni vom Lager, die diese Erkenntnis weit weniger erschüttert hatte. Berndt stürmte aus der Höhle und eilte zum Inquirenten von Großem Ruf, Ebers. Dieser blähte sich auf und verkündete, wohin er Lika geschickt hatte. "Oh, armer Mann, was tatest du", rief Berndt aus und erzählte ihm sein trauriges Schicksal. Dem guten Inquirenten traten die Tränen in die Augen, als er Berndt so reden hörte, und er schrieb einen Entlassungsbefehl für Lika aus, und schickte Berndt los, diesen zu vollstrecken. Dieser machte sich auch prompt auf den Weg.

Fast zur gleichen Zeit begannen den stolzen Fabrikantensohn Behringer auf Odd Fellow Island das Gewissen und sein Rheuma zu plagen. So überlegte er hin und her, wie er sich am besten Likas entledigen könnte, ohne daß sie der Gram zu arg mitnehmen würde; denn er glaubte, sie habe sich in ihn verliebt. Doch er hatte das schöne Weib unterschätzt. Sie liebte immer noch ihren Berndt und im Geiste war sie ihm stets treu geblieben. So kam es dazu, daß beide des nachts voreinander flohen. Behringer war der schnellere und konnte das einzige im Hafen befindliche Boot an sich reißen und damit die Insel verlassen. Lika, die 27 Sekunden später eintraf, blieb wehklagend am Ufer zurück.

Ein schrecklicher Sturm wühlte die bleischweren Wogen des Atlantischen Ozeans auf, und zuoberst auf den Wellenkämmen wuren drei kleine Boote und ein etwas größeres nur für wenige Augenblicke dem geneigten Leser sichtbar. Es waren die Boote von Berndt, Behringer, Hagen und Steinklopferhans sowie das Boot des Magisters Schellhammer. Allerdings lagen zwischen jedem der Boote mehrere hundert Seemeilen. Des Magisters Boot war das größte und kam flott voran. Hundert Meilen dahinter lag das Boot von Berndt und circa 284 Meilen in Luv schiffte sich das Boot der ruchlosen Schurken Hagen und Steinklopferhans heran. Ihnen allen entgegen kam Behringer in flotter Fahrt. So kam es, daß sich Schellhammers und Behringers Boote begegneten. "Ahoi!" rief der Magister und schoß zwei Schüsse Ehrensalut in die Luft. Behringer, der irgendeine Büberei witterte, gab ebenfalls zwei Schüsse ab, nur mit der Absicht, den Magister zu den Haifischen zu schicken. Der Wellengang verhinderte die Kugeln am Treffen des Gegners und so blieb das sich entspinnende Feuergefecht lange Zeit wirkungslos. Erst als durch einen besonders hohen Brecher der Magister zu Fall kam und sich seine Büchse gegen den Himmel entlud wurde Behringer getroffen, da sein Boot in diesem Moment des Magisters Büchsenlicht durchfuhr. Der Magister sang mit Siegerblick und patriotischem Lächeln die Steinacher Nationalhymne, wobei er die Tricolore des Fürstentums heftig schwenkte. Der Text der Hymne war folgender:

Das kann i ni geseh

Es kimmt Raachen anstatt Schnee

Der fillt uff mei Gewand

Die Socken gehn zu Schand

Juchheiße und juchhei

Der Hinterwald bleibt frei

Und so sang er noch mehrere Verse, im festen Glauben, seinen Widersacher getötet zu haben. Doch dem war nicht so! Trotzdem dräunte dem Magister von Behringer nichts Übles mehr, da dieser schwer getroffen war. Doch war es dem Magister nicht vergönnt, den sechsten Vers zu singen, da plötzlich wieder Schüsse über das Meer hallten. Er brach ab zu singen und griff wieder zu seiner Doppelläufigen. Sein Blick flog nur so über Kimme und Korn. Da hatte er den neuen Gegner auch schon ausgemacht. Auf einem benachbarten Wellenkamm schaukelte das kleinste Boot, bestückt mit Hagen und dem Steinklopferhans, die wiederum ihre Colts in den Händen hielten und ununterbrochen feuereten. Wieder entspann sich ein Feuergefecht, das aber keiner zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Bald darauf näherte sich ein weiteres Boot der Kampfstelle, und aus diesem eröffnete Berndt ein konzentriertes Granatwerferfeuer auf die drei anderen Boote. Schellhammer hielt es für besser, reißaus zu nehmen, und entkam auch ohne nennenswerte Schäden. Auch Behringer nahm aus dem Leser bekannten Gründen nicht mehr am Kampf teil, sondern trieb weit ab. Der Steinklopferhans fand diese Schießerei eine "Hatz" und hielt nicht eher ein herumzuknallen, bis er Berndtens Boot zu einem Sieb geschossen hatte, und der edle Adlige nicht mehr dazu kam, den Granatwerfer zu bedienen, da er mit Fleiß schöpfen mußte. So trennten sich nach diesem von Gott gewollten Zusammentreffen die Boote wieder, ohne daß einer den anderen erkannt hatte.

3. Kapitel

Es war nicht weiter verwunderlich, daß der Magister Schellhammer einige Tage vor Berndt Odd Fellow Island erreichte und an Land ging. Mit wuchtigen Schritten durchquerte er die Insel und traf auch bald auf Likas Spuren. Er begrüßte sie in höfischer Manier, obwohl ihm das nicht leichtfiel, liebte er es doch, in seiner Heimatsprache zu kauderwelchen, die außer ihm kaum noch jemand verstand. Lika reichte ihm artig die Hand zum Kusse, wobei sie der Magister, als er galant den Kopf beugte, heftig mit dem Steigeisen am Oberarm verletzte. "Ohh", hauchte errötend die Schöne und fiel in Ohnmacht. Fluchend bemühte sich der Magister um sie, wobei er fortwährend dachte: 'Wie kann ich sie nur dazu bringen, daß sie auf mich schießt; denn das ist das einzige Mittel, um ihre Treffsicherheit festzustellen. Eigentlich ist es mir schon klar, daß sie schlecht schießt, denn Hagen kann ja kaum dot aus dem Leichenschauhaus entkommen sein.'

Endlich erwachte das holde Wesen. Schellhammer drückte ihr flugs eine Pistole in die Hände und stahl ihr einen Schuh, mit dem er sich scheinbar davonmachte. Die Gewitztesten unter unseren Lesern werden sicherlich den Trick des Magisters durchschaut haben. Er wollte, daß Lika glaube, er sei ein Dieb, und auf ihn schösse. Doch dieses geschah zu seinem Leidwesen nicht. Lika kratzte sich mit der Pistole an den Fußsohlen und sagte lieblich: "Dank dir, oh Fremder, dieser Schuh hat mich schon lange geplagt, doch ich fand nicht den Mut, ihn selbst auszuziehen." Und sie errötete erneut. Da entfuhr dem Magister sein übelster Fluch und er riß eine weitere Pistole aus seinem Gewand und brüllte: "Schieß, Weib, oder ich werde dich mit dieser meiner Pistole ins Jenseits oder wie die Gegend heißt befördern!" Und er hob drohend die Waffe. Lika erschrak. Sie sah keine andere Rettung als auf den Magister zu schießen. Also schloß sie die Augen und drückte ab. Die Kugel prallte von Schellhammers Steigeisen ab und sirrte über die Insel. Dem Magister drohten die Augen aus dem Kopfe zu fallen, so war er über Likas Treffkunst erstaunt. Er gab, so schnell es ihm möglich war, Fersengeld. Lika drückte ermutigt noch fünfmal auf den Auslöser und alle fünf Kugeln trafen den Magister so heftig, daß er selbst kaum daran glaubte zu überleben. Lika warf den leergeschossenen Colt weg und entfleuchte.

Inzwischen nährte sich Berndt unaufhaltsam der Insel. Im Sog seines Bootes schoß dasjenige von Hagen dahin, in dem der Steinklopferhans gerade bemüht war, dem verkommenen Adligen den Schlag vorzuführen, mit dem er den Oberpolzeirat Häufner "aufs Kreuz gelegt hatte", wie er sich in seiner verabscheuungswürdigen Sprache ausdrückte. Berndt spähte gerade nach Land aus, als er plötzlich einen alten Mann auf den Wellen treiben sah. Als dieser das Boot entdeckte, winkte er mit einem kleinen Koffer, auf dem "Nach Odd Fellow Island" zu lesen war. Berndt stoppte und half dem Alten ins Boot. Dieser stellte sich vor, obwohl unser kluger Leser ihn bestimmt schon erkannt hat. "Ich bin der Rentier Wurm und pflege oft zu trampen", sagte er freundlich, "fahren Sie zufällig meine Route?" Berndt bejahte und fuhr weiter.

Bald hatten beide das Ufer erreicht und gingen an Land. Dort begann Berndt, Lika zu suchen, während der Rentier Wurm einen anderen Weg wählte. Bald traf er auf den halbtot daliegenden Magister. Er verband ihn, und als sich der Magister ein wenig erholt hatte, begann der Rentier zu plaudern: "Ich bin eigentlich gar kein Rentier," begann er, "ich suche nur im Auftrag des Inquirenten von großem Ruf, Ebers, den Magister Schellhammer. Der Magister hat zwar eigentlich keine Verbrechen begangen, aber der Inquirent hat wieder zwanzig unaufgeklärte Fälle zusammen und braucht nun einen Täter. Erzählen Sie das aber bloß niemandem, sonst verliere ich meine Stellung. Haben Sie zufällig den Magister gesehen? Er hat ein Steigeisen im Kopfe und soll sich hier auf der Insel versteckt halten." Der Magister verneinte die Frage. "Ei, ei", meinte da der Rentier, "Sie haben ja ein ebensolches Steigeisen im Kopfe, und ich habe geglaubt, der Magister wäre der einzige. Warten Sie, ich hole Ihnen etwas zu essen, damit Sie bald zu Kräften kommen und mir beim Suchen helfen können." Und er ging von dannen. Der Magister grübelte finster: 'Hier droht mir wenig Gefahr, aber was mich verzweifeln läßt ist, daß Lika gut schießt, und Hagen demnach dot aus dem Leichenschauhaus entflohen ist. Trotzdem muß ich mich erst von seinem Tode überzeugen und kann dem Meisterdetektiv nicht erst tagelang beim Suchen helfen, so daß er mich wohlmöglich noch findet.' So dachte der Magister und schlich sich mühsam davon.

4. Kapitel

Toni hatte von einer Amnestie gehört, die Fürst Wisent von Steinach für alle im Ausland verübten Straftaten seiner Landsleute erlassen hatte, und war wieder unter die Leute gegangen, um ihren Gatten zu suchen. Doch nach längerem Suchen fand sie Behringer nicht und wollte schon verzweifeln, als ihr eines Tages der Waldläufer Brendel über den Weg lief. Sie vertraute sich ihm an, und er versprach ihr zu helfen. Er erzählte ihr, daß Behringer im Gefängnis säße und dort nicht einmal rauchen dürfe. Toni beschloß, mit Hilfe Brendels ihren geliebten Mann zu befreien. Der Waldläufer rieb sich die Hände. Er wußte, daß Toni gewitzt war, und hoffte mit ihrer Hilfe seinen Herrn und Meister, den Förster Rott, aus dem Gefängnis zu befreien. Es grämte ihn nämlich sehr, daß der Förster saß, da er ohne ihn die Haubitze nicht in Gang bekam. Er wollte sofort - wenn der Forstmann frei wäre - die Haubitze laden und mittelst ihr dem Inquirenten von großem Ruf, Ebers, die Wohnung in einen Trümmerhaufen verwandeln. Toni fiel auf des Waldläufers Finte herein und ließ einen Gefängnisaufseher zu ihr in Liebe verfallen. Diesem stahl sie eines Tages die Schlüssel und drang gemeinsam mit dem Waldläufer in das Gefängnis ein. Als sie die Zelle des Försters öffnete und den Betrug entdeckte, brach sie wie vom Donner gerührt zusammen und erwachte erst, als ihr Ebers, der Inquirent von großem Ruf, das Urteil, welches auf lebenslänglich wegen Fluchtversuchs lautete, vorlas.

Berndt hatte in der Mitte von Odd Fellow Island seine Lika wiedergefunden und quielte in den höchsten Tönen, als der Steinklopferhans und Hagen durch das Gebüch brachen. Hagen grinste so verlebt wie man es noch nie bei ihm gesehen hatte. er zog seinen Degen und begann, heftig auf seinen Bruder einzustechen. Berndt, der Waffen und Granaten arglos im Boot zurückgelassen hatte, konnte sich nur durch trollige Sprünge vor den wütigen Stichen seines Bruders retten. Doch lange konnte das nicht mehr gut gehen. Da kam Rettung von dort, wo sie keiner erwartet hatte. Der Steinklopferhans streckte Hagen mit einem wohlgezielten Schuß darnieder, und während er die rauchende Pistole wegsteckte, meinte er: "Es macht mir halt keine Freude mehr, immer mit dem Gleichen zu pactieren." Und er reichte Berndt die Hand hin, die dieser auch freudig ergriff. Beide schifften sich gemeinsam mit Lika ein. Doch in ihrem Boot befand sich noch ein blinder Passagier. Dieser war der Magister Schellhammer. Kaum hatte das Boot den Hafen verlassen, richtete er sich auf und bedrohte die Fahrgäste. Mit vorgehaltener Pistole zwang er sie zum flinken Rudern, und auch Lika mußte dabei kräftig mittun. Nach 700 Meilen wurde es dem Steinklopfer zu viel und er sagte zum Magister: "Laß uns gemeinsame Sache machen. Wir können uns beim Bewachen abwechseln, und ich gebe dir dafür eine Urkunde, die die englische Königin eigenhändig unterschrieben hat." So sprach er in seiner characterlosen Art. Dem Magister war es recht, und so setzte sich Hans neben ihn und ließ die anderen rudern.

Der arme Oberfeldwebel Mattäi hatte seinen Dienst quittiert und sich beim Inquirenten von großem Ruf, Ebers, angemeldet. Lange währte seine Amtszeit jedoch nicht. Denn an einem Sonntagmorgen brachten der Förster Rott und der Waldläufer Brendel die Haubitze vor des Inquirenten Bureau in Stellung. Mattäi trat zu ihnen und fragte, was sie damit vorhätten. Der Förster redete eine Weile um die Sache herum, derweil versah der Waldläufer Brendel eine Flasche Bier mit Strychnin und bot sie dem ehemaligen Oberfeld an. Dieser nahm auch prompt einen Schluck, nicht ohne vorher die beiden Erzbuben mit den Worten "Wenn dieses Bier vergiftet ist, werde ich ungemütlich" zu warnen. Er kam aber nicht mehr dazu, weil er auf der Stelle verschied. Da brannte der Förster die Lunte an. Der Waldläufer Brendel griff vor lauter Aufregung zur Bierflasche und nahm einen kräftigen Schluck. Der arme Brendel erlebte nicht den von ihm so ersehnten Augenblick; nämlich als die Granate des Inquirenten Bureau in Staub verwandelte hatte er schon das Zeitliche gesegnet.

Behringer brauchte gute vier Wochen, ehe er sich erholte. Und als er endlich wieder rudern konnte, sah er voll Schrecken, daß er vor der Küste von Odd Fellow Island entlang trieb. Er mußte von vorn anfangen. Doch nach kaum einer Stunde sah er einen alten Mann mit einem Köfferchen in der Hand auf dem Ozean treiben. Auf dem Koffer war "Nach Steinach" zu lesen. Behringer nahm den Rentier Wurm mit, und dieser half ihm nach Kräften beim Rudern. So langten sie bald in Europa an. Wir können uns die Enttäuschung Behringers vorstellen, als er im Walde seine Toni nicht fand. Vom Kummer zernagt jagte er von Steinach nach Menghäm und wieder zurück. Jedesmal wurde er auf halbem Wege von Straßenräubern überfallen und bis aufs Hemd beraubt. Beim einunddreißigsten Mal merkte er, daß es seine drei Söhne Fips, Herb und Bodo waren. Das war eine Wiedersehensfreude! Die drei verspachen ihrem Vater, ihm bei der Suche nach ihrer Mutter eifrig zu helfen, und so erwachte in Behringer neuer Lebensmut. Außerdem gaben sie dem geliebten Vater einen Teil der Beute zurück.

5. Kapitel

Der Rentier Wurm lief sinnend den Hohlweg entlang, der zur Prairiesportarena führte. Da stieß er wuchtig mit einem Manne zusammen. Als er ihn anblickte erkannte er in ihm den Magister. Daß heißt, es war der Magister, aber der Rentier freute sich über das Zusammentreffen mit seiner Inselbekanntschaft. So begrüßte er ihn fröhlich und sagte: "Gut, daß ich Sie treffe. Auf der Insel war der verruchte Magister einfach nicht zu finden. Sie haben's wohl auch gemerkt, gell? Vielleicht finden wir den Schurken hier. Ich komm nur nicht über den Gedanken hinweg, daß ich auf der Suche nach einem so seltenen Menschen gleich einen zweiten finde, der ebenfalls ein Steigeisen im Kopf hat. Es gibt doch putzige Zufälle." Der Magister verlor langsam die Geduld. Er senkte schon sein Steigeisen, um zuzustoßen, überlegte es sich doch noch anders. Er sagte sich, wenn der Inquirent unbedingt einen Täter braucht, so könne er sich eigentlich einen anderen heraussuchen. Vielleicht ließe er sich überreden. Deshalb ging der Magister mit dem Rentier Wurm zu Ebers, angeblich, um eine wichtige Aussage zu machen. Als sie an des Inquirenten Bureau anlangten, war dieses völlig zerstört, und um die Trümmer sprang der Förster Rott und zerrte eine Haubitze hinter sich her. Sie fanden Ebers in einem Ausweichbureau. Dort trug ihm der Magister sein Anliegen vor und empfahl den Steinklopferhans als Täter. Der Inquirent von großem Ruf war einverstanden und schickte dem Steinklopferhans eine Vorladung.

Zur selben Zeit konnte man unweit der Schlucht vier Männer graben sehen. Es waren Behringer und seine drei Söhne. Behringer hatte den genialen Plan entwickelt, ganz Steinach zu untergraben und jedes Haus anzubohren, um Toni unerkannt zu finden und - wenn nötig - zu befreien. Nach drei Tagen hatten sie 400 Meter Tunnel gegraben und sieben Wohnhäuser zum Einsturz gebracht. Der Personenschaden war gering. Nachdem zwei weitere Häuser durch das Ungeschick Bodos zusammengefallen waren stieß Behringer, sie gruben gerade unter dem Gefängnis, auf eine riesige Kiste. Er war gerade dabeigewesen, die Decke zu Tonis Zelle zu durchbrechen, als er diese Kiste fand. Die Viere öffneten fieberhaft den Deckel. Es war unbeschreiblich, was sie da entdeckten! In der Kiste lag der berühmte Freimaurerschatz! Zuoberst lag ein Brief, den Behringer nahm und feierlich verlas. Darinnen stand: "Diese Kiste darf nicht angehoben, gekippt oder sonstwie bewegt werden, da sonst ein Zeitzünder in Gang getreten wird, der nach fünf Minuten alles in der Umgebung von 27 Sashen in die Luft sprengt. Deshalb nehmt euch etwas und geht. Bescheidenheit ziert den Freimaurer. Gezeichnet: Obszöni Petrunkewitsch Perversjew, Chef des Freimaurersowjets."

Die Viere blickten sich vielsagend an. Doch ehe sie dazu kamen, sich die Taschen mit Gold zu füllen, brach über ihnen die schon angeschlagene Decke zusammen, und Toni stürzte in den Gang. Sie fiel so unglücklich auf die Kiste, daß diese umstürzte und mit lautem Ticken der Zeitzünder in Gang kam. Behringer raffte sein Weib und entfloh. Seine Söhne folgten ihm auf der Spur. Als sie den Tunnel verließen sahen sie, wie das Gefängnis durch eine fürchterliche Explosion in die Luft geschleudert wurde. Beinahe wäre Behringer ein reicher Mann gewesen!

Steinklopferhans kam mit gemischten Gefühlen zum Inquirenten von großem Ruf, Ebers. Dieser ließ den Steinklopfer Platz nehmen und begann das Verhör: "Hier habe ich fünf Morde, sieben Raubüberfälle und acht Diebstähle, bei denen bisher jede Spur von einem Täter fehlt. Diese werde ich dir jetzt nachweisen. Es ist besser, du gestehst gleich alle Verbrechen ein, dann sparst du dir viele Ausreden für dein nächstes Verhör." Der Steinklopfer erwiderte darauf in seiner unverschämten Manier und als ob er im Recht wäre: "Mein lieber Inquirent. Nehmen wir an, ich hätte achtzehn von deinen zwanzig albernen Verbrechen begangen, so werde ich mir doch nicht das Vergnügen nehmen lassen, sie mir von dir beweisen zu lassen. Das wird dir aber schwerlich gelingen, da ich noch über dreißig Alibis in petto habe, da reichen deine Verbrechen gar nicht aus." Der Inquirent war es gewöhnt, von seinen Befragten oft noch übler geschmäht zu werden. Deshalb verlor er auch hier nicht die Ruhe und sagte: "Ich habe schon viel unbescholtenere Knaben als dich überführt. Wenn ich will, kann ich dir doppelt so viele Zeugen bringen als du Alibis hast." Durch diese raffinierte Fragemethode wurde der Steinklopferhans ganz verwirrt und sah kein anderes Mittel, als albern zu lachen und den Inquirenten einen Hohlkopf zu schimpfen. Ebers sah, daß er auf der richtigen Fährte war, und setzte seine peinliche Befragung fort. Trotzdem gelang es ihm nicht, den hartgesottenen Schurken zu überführen.

Magister Schellhammer war sehr ergrimmt, weil es ihm nicht gelungen war, Hagen zu finden. So beschloß er, sich an Lika zu rächen, weil diese ihn so übel mit dem Revolver tractiert hatte. Noch bevor er sich einen Plan zurechtlegen konnte, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Um die Mittagszeit, er machte gerade einen Verdauungsspaziergang, ertönte in Steinach ein fürchterliches Gepolter. Die Straße entlang jagte der Förster Rott, an einem Bindfaden die Haubitze hinter sich herziehend. Kurz hinter ihm verfolgte ihn der Rentier Wurm, der unter wilden "Jippijeh"-Rufen ein Lasso schwang. Ab und zu rief er: "Haltet den Lumpen, er hat das Bureau deformiert!" Der Magister trat hinzu und stellte dem Rentier ein Bein, vermittelst desselben dieser einen dreifachen Salto schoß und unsanft zu liegen kam. Schellhammer half ihm aufzustehen und fragte dann: "Hoppla, haben Sie sich weh getan? Ich kann es bestätigen, der Kerl hat das Bureau kaputtgeschossen. Aber ich weiß noch viel mehr." Der Rentier, der sich erst ereifern wollte, wurde nun neugierig. "Die Lika", fuhr der Magister fort, "hat ihm die Streichhölzer gegeben, mit denen er die Lunte in Brand gesetzt hat." So sprechend ging der Magister, zweideutig pfeiffend von dannen. Kurz darauf hörte er, daß Lika verhaftet werden sollte. Jubelnd sprang er in die Höhe. Sein Steigeisen durchstieß mit Leichtigkeit die Zimmerdecke, und der Magsiter blieb in der Luft hängen. Doch das war er gewohnt. Gewöhnlich zog er sich mit einem Strick wieder herunter. Doch diesmal wollte es ihm nicht gelingen. Auf dem Dachboden saß der Rentier Wurm und hatte mit einem Hammer das Steigeisen krumm geschlagen. Ebers hatte versäumt, seinen Auftrag zurückzuziehen, und so glaubte der Rentier immer noch, den Magister finden zu müssen.

Lassen wir den Magister eine Weile hängen und wenden uns dem zweiten Verhör des Steinklopferhans zu. Der Inquirent von großem Ruf hatte dreiunddreißig Zeugen besorgt und die Alibis des Steinklopferhans entkräftet. Freudig lächelte er, als er den Steinklopfer anfuhr: "Hihi, du Bösewicht. Jetzt wird es mir ein leichtes sein, dich zu überführen. Wenn mir auch ob deiner Hartnäckigkeit fast die Zeugen ausgegangen wären. Ich werde noch drei bis vier Beweise besorgen und dann reicht es vielleicht sogar zur Todesstrafe." Der Steinklopfer verlor jedoch seine Ruhe nicht und sagte: "Inquirent, du darfst doch nicht denken, daß du mich schon geknackt hast. Ich gebe es ja ehrlich zu, daß ich sieben von deinen Verbrechen begangen habe, aber gerade die kannst du mir nicht beweisen. Ich habe nämlich einem Zeugen ein Telegramm mitgegeben und spätestens morgen werden weitere fünfzehn Entlastungszeugen eintreffen, und dann stehst du wieder mal als der Dumme da." Der Inquirent überlegte eine Weile und meinte dann: "Gut, dann werde ich dir die anderen dreizehn Verbrechen nachweisen, die du nicht begangen hast. Das reicht wenigstens zu 20 Jahren Zuchthaus." Und so brachte der geniale Inquirent durch seine unübertroffene Kunst der Befragung den Steinklopferhans erneut hinter Gitter, obwohl es nur zu fünf Jahren reichte, da der Steinklopferhans drei Zeugen mehr als erwartet zusammengebracht hatte.

6. Kapitel

Der Förster Rott kam auf seiner Flucht ausgerechnet in dem Moment an dem Gefängnis vorbei, als dieses in die Luft flog. Er wurde 300 Klafter weit durch die Luft geschleudert und wäre um ein Haar unter seiner Haubitze zu liegen gekommen. Als er sich mühsam erholt hatte und seine Haubitze auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüfen wollte, entdeckte er, daß das Rohr bis oben hin mit Gold gefüllt war. Dem guten Förster war buchstäblich der halbe Freimaurerschatz zugeflogen. Da beschloß er, weiterhin ein ehrlicher Mann zu bleiben und das Geld redlich anzuwenden.

Die beiden edlen liebenden Pärchen Lika und Bernd sowie Toni und Behringer lebten nun wieder glücklich vereint. Ihr Erzfeind Hagen lag mit zerschmettertem Herzen auf Odd Fellow Island und konnte ihnen zunächst nicht schaden. So zogen sie in ein altes Zweigschloß zu Felseck und schworen sich, in friedlicher Eintracht miteinander zu leben. Doch sie wußten, daß ihnen von der Welt noch viel Gefahr drohte, und so ging Berndt nie aus, ohne sich genügend zu bewaffnen und die Zugbrücke emporzuhieven. Behringer währte seinem Freund jedesmal Feuerschutz, wenn dieser vom Milchholen aus Steinach kam.

Rentier Wurm merkte, daß der Magister trotz des krummgeschlagenen Steigeisens bald durch das morsche Holz rutschen würde. Deshalb beschloß er, das Steigeisen festzulöten. Dem Magister wurde es warm am Kopfe und er griff zu einer List. Er riß die Lampe von der Decke und hielt das Kabel an das Steigeisen. Als der Rentier Wurm wieder an das Eisen faßte, verwandelte er sich innerhalb weniger Augenblicke in eine Dezitonne Braunkohle. Der Magister befreite sich und verließ die Thüringer Lande, um sich sein Steigeisen von einem Schmied richten zu lassen.

So kehrte nach den schrecklichen Wirren für einige Jahre Ruhe ein. Doch was wird geschehen, wenn Steinklopferhans, der unverbesserliche Tunichtgut, seine Strafe abgesessen hat? Und eines Tages wird auch der Magister mit geradem Steigeisen heimkehren und seine Liebe zu Lika geltend machen. Es wird in der Grafschaft Steinach noch viel Arbeit für den Inquirenten von großem Ruf, Ebers, geben.

 

Viertes Buch

1. Kapitel

Natürlich ließ sich der verruchte Steinklopferhans nicht Zeit, alle seine Strafen auch brav im Knast abzusitzen. Schon nach zweimal lebenslänglich reifte in seinem Hirn der infame Plan einer Flucht. Er begann, aus seinem Aluminiumlöffel, den er nach 30 Jahren wegen guter Führung erhalten hatte, ein Messer zu beißen. Obwohl die Karies seinen Hauern schon arg zugesetzt hatte, gelang ihm dieses schwierige Werk. Mit Hilfe des Messers kratzte er den Putz zwischen den Mauersteinen heraus, bis er etwa ein Dutzend Ziegel losegebrochen hatte. Diese schichtete er unter seinem Zellenfenster auf, so daß er bequem an die Gitterstäbe heranreichte. Nun biß er in sein Messer kleine Ecken, bis er es als Säge verwenden konnte. Der gewitzte Leser wird erraten haben, daß der mit allen Wassern gewaschene Bösewicht die Stäbe durchsägen wollte, um ins Freie zu gelangen. Nachdem dies gelungen war, klemmte der Steinklopfer seinen auf mehrere Meter gewachsenen Bart in eine Mauerritze und ließ sich vorsichtig an ihm herunter. Im Gefängnishof angelangt, trennte er trutzig den Bart am Kinn ab und jubelte: "Frei, endlich frei!"

Bevor wir das weitere Schicksal des Steinklopferhans erfahren, soll ein Blick auf andere Helden dieser Geschichte geworfen werden. Der Magister Schellhammer, von dem mancher behauptete, er sei gar nicht so schlecht wie seine Taten, hatte nach seinem Mißgeschick einen Schmied gefunden, um sein Steigeisen richten zu lassen. Den Erfolg hatte er gleich an dem armen Handwerker ausprobiert, so daß die Schmiede zum Verkauf stand. Wegen dieser Untat hatte der Magister für eine Weile im Westerwald untertauchen müssen und war dort zum Schulzen der Stadt Montabaur gewählt worden. Das hatte ihm solche Freude bereitet, daß er über Jahre seine Liebe zu Lika vergaß und lieber wild darauflos regierte. Doch eines Tages sah er Lika, die inzwischen ein Top-Model geworden war, im Fernsehen - und seine alte Leidenschaft erwachte wie ein Vulkan. Er steckte kurzerhand das Rathaus an und verließ den Westerwald.

Schön-Lika, von der wir inzwischen wissen, daß sie unter dem Namen Klawdija Pisser ein Super-Model geworden war, hatte in den vergangenen Jahren ihren getreuen Berndt so oft gehörnt, daß man ihn für einen 26ender halten konnte. Er ging kaum noch aus dem Schloß, da ihn sein Geweih schmerzlich behinderte. Ganz anders Behringer, der eine Fabrik zur Fertigung von sprechenden Klobrillen eröffnet hatte und damit so manchen Batzen Goldes verdiente. Die Brillen hatten je nach Wunsch solche Eigenschaften, wie den Nutzer unflätig zu schmähen, wenn er länger als eine Stunde auf ihnen zubrachte. Andere wiederum beschwerten sich bei Gästen über den unerträglichen Gestank ihres Geschäftes oder ließen sich gar in obszönen Bemerkungen über das sie drückende Hinterteil aus.

Doch kehren wir zum wesentlichen zurück. Seine Frau Toni hatte bei einer Kinderweihnachtsfeier den Clown Popow kennengelernt und war mit ihm nach Sibirien durchgebrannt. Dort waren beide irrtümlich für Dekabristen gehalten worden und verbrachten so die Jahre auf einer Eisscholle im Jenissei in der Verbannung. Behringer hatte davon nichts gemerkt, da er sich so angeregt mit seinen Klobrillen unterhielt. Doch auch auf ihn kam neues Unbill zu. Und zwar in Gestalt des Försters Rott.

2. Kapitel

Der Förster hatte von seinem Freimaurerschatz schlechten Gebrauch gemacht. Er hatte sein Forsthaus in ein gewaltiges Sporthotel umbauen lassen, den Wald abgeholzt, um Skipisten anzulegen, und war demzufolge in das Urlaubsgeschäft eingestiegen. Sein Unglück war nur, daß in den ersten zwanzig Jahren kein Mensch Urlaub bekam. So gab er seinem Personal frei und zwang es, den teueren Sessellift zu benutzen oder über den Abfahrtshang zu rasen. Die hohen Kosten aber fraßen seinen Schatz schnell auf. So blieben ihm am Schluß nur noch wenige silberne Leninrubel, mit denen er Bleistücken für seine Doppelflinte erwarb. Das Pulver stellte er nach einem alten Familienrezept selber her. So bewaffnet machte sich der einstmals redliche Förster auf den Weg, um seinen Geldbeutel wieder aufzufüllen.

Auch wenn das der ungeduldige Leser glauben mag, den im Gefängnishof lauernden Steinklopferhans haben wir keinesfalls vergessen. Doch ehe die Geschichte zu ihm zurückkehrt, müssen wir noch klären, wie es dem Inqurenten von großem Ruf, Ebers, ergangen ist. Der für seine geniale Fragetechnik gerühmte Criminalrat war eine ehrliche Haut geblieben. Mancher schmähte ihn dafür als Dodel oder gar Blödling, doch Ebers ließ das kalt, hatte er sich doch dank reichlicher Schmiergelder von Verhafteten ein hübsches Vermögen zur Seite schaffen können. Und war er knapp bei Kasse, nahm er kurzerhand einen Unschuldigen fest, befragte ihn mit halber Kraft und ließ sich dann schweren Herzens bestechen. So hatte er den Rücken frei, die wahren Verbrecher zu jagen und zur Strecke zu bringen. Und dieses würde bald vonnöten sein.

3. Kapitel

Mitten in einem idyllischen Tal war ein klobiges Gebäude erbaut wurden. In ihm liefen ungezählte Leute umher, die meist weiße Gewänder trugen und von den ängstlichen Dorfbewohnern Alchimisten genannt wurden. Ihr Anführer war der berühmte Professor Stinkmann, der von einem lieblichen Wesen namens Dolly Greiner-Metter-Pemm assistiert wurde. Dolly verdarb zwar fast jeden Versuch, aber ein Blick in den großzügen Ausschnitt ihres Kittels versöhnte den Professor meist wieder. Zu den beiden war ein seltsamer Kauz gestoßen, der auf dem Kopf eine Kochmütze trug - aus hygienischen Gründen, wie er dreist behauptete. Von diesem Fremden wußte der Professor nur, daß er sich als Magister ausgab. Dieser wissenschaftliche Grad hatte zur Einstellung gereicht. Der kluge Leser dagegen hat längst den Magister Schellhammer erkannt, der sich bübisch in das Forschungshaus eingeschlichen hatte, da er glaubte, unter dieser Tarnung sein verabscheuungswürdiges Ziel vorbereiten zu können.

Doch lassen wir den Magister noch ein Weilchen auf den Ausschnitt der Assistentin Dolly Greiner-Metter-Pemm starren. Dolly beabsichtigte seit geraumer Zeit, den Formel-1-Piloten Alfons Hinterseicher-Halbseider zu heiraten. Sie würde dann Dolly Hinterseicher-Halbseider-Greiner-Metter-Pemm heißen und eine 70 cm lange Visitenkarte brauchen. Doch der neue Magister gefiel ihr ausnehmend gut, nur sein Name schien ihr nicht angemessen.

Nun aber ist es an der Zeit, sich dem Steinklopferhans zuzuwenden. "Sapperlot!" rief dieser gerade aus, als wir ihn verlassen hatten. Und er hatte allen Grund dazu. Er mußte nämlich feststellen, daß er im siebenten Innenhof der Haftanstalt gelandet war. Doch es wäre nicht der Steinklopferhans gewesen, wäre ihm nicht ein rettender Einfall gekommen. Geradenwegs schritt er zur nächsten Tür und drückte die Klinke herunter. Die Tür ging sofort auf. Diese mutige Tat wiederholte Hans noch neunzehn Mal - dann stand er mitten auf dem Steinacher Dorfanger. Vorsichtig fragte er einen vorbeikommenden Versicherungsvertreter, was denn mit dem Gefängnis geschehen sei. "Gefängnis?" fragte dieser verständnislos. Dieses alte Gemäuer ist doch seit 61 Jahren kein Gefängnis mehr und seit 15 Jahren wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse völlig verlassen. Der Steinklopfer hieb in blindem Zorn den Vertreter behelfs eines wuchtigen Faustschlages in einen Gulli und zeterte: "Da hab ich ja die beste Zeit meines Lebens unnütz im Knast verbracht. Weh mir. Dafür soll der miese Lump Ebers kräftig zahlen." Und damit trollte sich der enttäuschte Steinklopferhans, um seinen Racheplan zu schmieden.

4. Kapitel

Behringer hatte gerade eine Klobrille entwickelt, die täuschend echt einen bärigen Durchfall imitieren konnte. Natürlich hatte er sie zuerst erprobt und hatte anschließend zwei Dutzend Pinten Holzkohle gegessen, weil die clevere Brille sogar ihren Erfinder getäuscht hatte. Der einfallsreiche Erfinder hoffte, vor allem die Toiletten in Arztpraxen und Krankenhäusern mit dieser Brille ausstatten zu können. Doch das Schicksal spielte ihm wieder einmal einen Streich.

Er wollte seine Erfindung - die in sattem Pink gehalten war - gerade abmontieren, da bohrte sich etwas stählernes in seinen Rücken. Gehorsam hob Behringer die Hände und sagte: "Die Dublonen lagern im Kühlschrank, die Pengös unter dem Kopfkissen." Die Antwort war ein höhnisches Lachen. Denn hinter Behringer stand der Criminalrat Ebers, seines Zeichens Inquirent von großem Ruf und gegenüber Ganoven unbestechlich. Ebers offenbarte wieder einmal seine messerscharfe Beobachtungsgabe: "Kein anderer als du Kackdeckelhersteller hast den Steinklopferhans befreit. Dieser läuft herum und brütet Unheil. Dafür werde ich dich hinter Schloß und Riegel bringen." Behringer fiel nichts zu seiner Verteidigung ein und so ging er mit dem Criminalrat mit in eine unsichere Zukunft.

Professor Stinkmann und sein geheimnisvoller Assistent mit der Kochmütze, den der aufgeweckte Leser längst als den Magister Schellhammer erkannt hat, bereitete ein großartiges Experiment vor. Ihm war von Bergwanderen aus dem Trusetal ein schwarzes Bündel gebracht worden, das zweifellos einmal ein Mensch gewesen war. Dieses Bündel, von der internationalen Wissenschaft "Trusi" genannt, sollte nun auf seinen genetischen Code abgeklopft werden. Gemeinsam mit der dummen, aber vorzüglich geformten Dolly Greiner-Metter-Pemm filterten sie das Bündel und gewannen noch eine intakte Zelle. Diese wurde in eine Nährlösung gelegt, um sie anderntags zu untersuchen.

5. Kapitel

Inzwischen war der Steinklopferhans zur Fabrik Behringers gekommen. Er hoffte dort, Hinweise auf seinen ehemaligen Brötchengeber Hagen von Felseck zu erhalten, von dem er noch ein sattes Honorar einzufordern gedachte. Schließlich hatte er es wenigstens versucht, den verhaßten Bruder Berndt abzuschlachten, wie er es in seiner würdelosen Art ausdrückte. Doch die Fabrik war leer. Da den Steinklopfer ein menschliches Rühren überkam, suchte er das dafür vorgesehene Örtchen auf. Dabei bleib ihm fast das Herz stehen. "Sapperlot, so a' Dünnschiß hatt ich ja noch nie", brüllte er entsetzt. Der Leser wird ihm die unflätige Ausdrucksweise verzeihen, kam doch Hans aus niederen Verhältnissen.

Während der Steinklopfer noch über die Ursachen seines misserablen Verdauungszustandes nachgrübelte, geschahen im Waldlaboratorium seltsame Dinge. Der geheimnisvolle Assistent hatte das Gläschen mit der Zelle des "Trusi" an sich genommen und bestrahlte es mit Röntgen- und Gammastrahlen. Dabei geriet er mit seiner Kochmütze in das Kerzenlicht, so daß sie Feuer fing. Darunter kam das mit einem feinen Goldüberzug veredelte Steigeisen zum Vorschein. Ja, der Magister hatte es in Montabaur zu etwas gebracht. Doch sofort folgte ein neues Mißgeschick. Mit dem Steigeisen löste Schnellhammer einen Kurzschluß aus und mindestens 10000 Volt schossen durch das Reagenzglas. Da begann sich in der Lösung etwas zu regen. Die Zelle teilte sich in Blitzesschnelle und nach nicht einmal 17 Minuten stand ein fertiger Mensch vor dem verdutzten Magister. Der regenerierte "Trusi" war niemand anderes als der Rentier Wurm, der einst durch Elektrizität zu Kohle und nun durch ebensolche wieder zum Menschen geworden war. Und beide Male hatte Magister Schellhammer keinen geringen Anteil daran.

Ein Zufall wollte es, daß ein Auftritt des Top-Models Lika ausfiel, und sie beschloß, auch mal wieder nett zu ihrem Gatten Berndt zu sein. Sie schlug ihm also vor, den alten Freund Behringer zu besuchen, um zu erfahren, ob Toni schon von ihrem Rußland-Trip zurück sei. Berndt zeigte sich hoch erfreut, und so betraten sie bald das Kontor der Firma Behringer. Dort war aber nur der Steinklopferhans, den sie für den Pförtner hielten. Dieser tarnte sich mit verlogener Freundlichkeit. "Vielleicht sollten der gnädige Herr auf diesem stillen Örtchen warten. Es ist ein besonders bequemes Modell", murmelte er scheinheilig, während er beschloß, Schön-Lika dem blöden Berndt zu entreißen, sie aber keinesfalls an Hagen weiter zu veräußern, sondern sie für sich selbst zu behalten. Kaum hatte sich Berndt niedergelassen, als ihn unzweideutige Geräuche totenblaß werden ließen. "Ooh, ich habe die Ruhr, oh, ich muß sterben", wehklagte der Adlige, bevor er ohnmächtig wurde.

6. Kapitel

Just zu dieser Stunde sah man am Ortsrand von Lauscha zwei seltsame Gestalten putzige Bocksprünge ausführen. Es waren der Magister Schellhammer und der Rentier Wurm. Letzterer versuchte dem anderen es heimzuzahlen, was dieser ihm einst angetan hatte. Ersterer dagegen wollte das nicht zulassen und wehrte sich elegant mit seinem güldenen Steigeisen. Bei ihrer gnadenlosen Jagd metzelten sie gut zwei Schock Sommerfrischler dahin, ehe sie schließlich an der Behringerschen Fabrik anlangten. Dort fanden sie ein seltsames Bild vor. Berndt von Felseck hing ohnmächtig in einem Toilettenbecken, im Bureau versuchte der Steinklopferhans, Schön Lika zu einem handlichen Bündel zu verschnüren, und im Vorzimmer prügelte der Inquirent von großem Ruf, Ebers, den armen Behringer durch. "Einen Lokaltermin machen", nannte das der unbestechliche Polizist. Als sich die Beteiligten bemerkten, war das Erstaunen groß. Doch es sollte noch größer werden. Vor der Fabrik bremste eine der neuen Motorkarossen. Aus ihr stieg - der Leser wird es wohl schon wissen - Hagen von Felseck, der durch seine Vergangenheit arg befleckte Adelssproß. In seinem Wagen aber saß die verschollen geglaubte Felsentoni! Gerade als sie ausstieg zerstörte ein 24-Pfünder-Geschoß die noble Limousine. Aus der Granatwerferstellung sprang ein mit Trachtenjacke und Gamsbarthut verblendeter Attentäter hervor. "Ihr sollt nicht sterben, ich will nur euer Geld", beruhigte er die Anwesenden. So war auch der verarmte Förster Rott in der Behringer-Fabrik eingetroffen!

Wie diese denkwürdige Verknüpfung der Schicksalsfäden unserer Helden weitergesponnen wurde, erfährt der geneigte Leser möglicherweise in einem fünften Teil dieses Werkes.

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